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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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auf ihre Schulter, sie zuckte zusammen.
    «Aber ich habe an diesem Fall nicht gearbeitet», sagte sie, mit einem Mal erbost über die Ungerechtigkeit, die ihr widerfuhr. «Ich hatte nichts damit zu tun!»
    «Richtig. Aber Sie haben zu einem früheren Zeitpunkt einmal genauso empfunden wie ich», flüsterte Sigart. «Ihr Bruder sagte, Sie seien so wütend auf die Polizei gewesen, dass Sie die Beamten am Telefon beschimpft und erst am Ende beschlossen hätten, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb sind Sie heute hier. Weil Sie mich verstehen können.»
    Was wollte er? Brauchte er eine Verbündete? Eine Schwester im Geiste? Verdammt, sie musste sich konzentrieren, etwas aus dem machen, was er ihr eben gesagt hatte. «Sie haben recht. Ich verstehe, dass Sie mit jemandem reden wollen, der ebenfalls einen Menschen auf gewaltsame Weise verloren hat, und ich spreche sehr gerne mit Ihnen.»
    Er lachte leise. «Nein, Beatrice, geredet haben wir genug. Jetzt werden wir etwas anderes tun.»
    Der Pistolenlauf bohrte sich hart in ihre Wirbelsäule. Ihr Instinkt drohte den Verstand auszuschalten, sie brauchte all ihre Willensanstrengung, um nicht wegzulaufen. Er würde ihr in den Rücken schießen, wie er es angekündigt hatte, dann hatte sie ihre Chance vertan. Verzweifelt suchte sie mit Blicken den Weg oberhalb des Hangs ab, vielleicht kam Florin nicht mit Einsatzfahrzeugen, sondern zu Fuß, leise, nur von Stefan begleitet und zwei oder drei anderen?
    Doch da waren keine Schatten, keine Schritte und immer noch keine Motorengeräusche.
    «Es ist wie eine Wette, wissen Sie? Sie vertrauen auf das Können Ihrer Kollegen, und ich setze dagegen. Ich bin gespannt, wer gewinnt.» Er stieß sie an, nur ein leichter Schubs mit der Waffe, und sie tat einen Schritt vorwärts.
    «Die Polizei hat die Dose im Brunnen nicht gefunden – aber gut, sie war klein und unscheinbar. Ganz anders als Sie, Beatrice.»
    Ein weiterer Schubs machte ihr klar, dass sie die Bedeutung seiner Worte richtig verstanden hatte. «Sie wollen –»
    «… einen Cache verstecken, ganz recht. Einen großen an der Stelle des kleinen. Einen, der Ihren Kollegen mehr Anstrengung wert sein sollte als eine Tabakdose mit einem Schlüssel drin. Leider ist er weniger robust. Lassen Sie uns also hoffen, dass die Polizei diesmal findiger ist.»
    Er dirigierte sie in Richtung des Holzverschlags, das Licht der Taschenlampe zuckte über die Bretter. Mein Sarg, dachte Beatrice. Wann würde das nächste Mal jemand hier vorbeikommen? Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit abgeschlossen, da und dort waren gelbe Absperrbänder zurückgeblieben, die im Nachtwind flatterten. Würde jemand damit rechnen, den verschwundenen Sigart hier zu finden? Kaum, für sie war er immer noch eines der Opfer. Warum sollte er zu dem Ort seines größten Schicksalsschlages zurückkehren, seinem Gefängnis, dem Versteck, das der Owner ganz offensichtlich aufgegeben hatte?
    Beatrice war stehen geblieben. Es ging nun steiler bergauf, und sie hatte das Gefühl, keinen einzigen Schritt mehr tun zu können. «Wie tief ist es?»
    «Etwa vier Meter bis zur Wasseroberfläche. Das erste Stück kann man klettern, es gibt alte, eingemauerte Steigeisen, dann allerdings müssen Sie springen.»
    Sie würde im Wasser stehen. Aber nur im besten Fall, machte sie sich klar, schlimmstenfalls war es zu tief, und sie würde schwimmen müssen. «Bitte. Tun Sie das nicht. Sie haben Ihre Gewissheit, und Sie haben Ihre Rache. Lassen Sie mich gehen, ich …»
    «Sie sorgen dafür, dass ich Hilfe bekomme», unterbrach er sie, «und einen fairen Richter. Man wird meine besondere Situation berücksichtigen, meine Verstörung durch den schweren Verlust, all das wollten Sie doch sagen, oder?»
    Ja. Das, und dass sie Kinder hatte, die darauf warteten, morgen von ihr abgeholt zu werden. Nein, heute. Es musste weit nach Mitternacht sein.
Ihm das zu erzählen kannst du dir sparen. Er kennt deine Kinder
.
    Sie machte einen weiteren Schritt hinauf. Noch einen und noch einen, dann verfing sich ihr Fuß, und sie stolperte. Mit der rechten Hand hielt sie die Taschenlampe fest und fing ihren Fall nur mit der linken auf. Etwas Spitzes bohrte sich in ihren Daumenballen.
    «Haben Sie sich verletzt?» Sigart hörte sich ehrlich besorgt an und Beatrice fürchtete, sie müsste gleich in hysterisches Gelächter ausbrechen.
    «Ein wenig.» Im Licht der Taschenlampe begutachtete sie ihre blutende Hand, und das Bedürfnis zu lachen verschwand.

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