Fünf
dachte, du sprichst mit mir.»
Nein. Sie führte inzwischen Selbstgespräche, so als würde sie ihre eigenen Gedanken nur begreifen, wenn sie sie laut aussprach. Sie fuhr sich über die Stirn und sortierte ihre Erkenntnisse.
«Er ist die Schlüsselfigur. Rudolf Estermann.» Hektisch wühlte sie in den Fotos, die in einem ungeordneten Stapel neben dem Bildschirm lagen. Ein Teil davon glitt zu Boden, und sie verkniff sich einen Fluch. «Da – hör zu: Sein Leben bestreitet er, indem er Dinge verkauft, die, wie er selbst sagt, keiner braucht. Doch darin ist er gut. Er hat zwei Söhne
,
einer heißt Felix.» Sie hielt ihm das Bild entgegen und tippte mit dem Finger auf die Stelle, die sie vorgelesen hatte. «Das passt alles zusammen.»
Er begriff sofort. «Dieser Estermann ist Vertreter, sagst du?»
«Ja. Verkauft Diätpillen an Apotheken. Seine Frau hat seit vier Tagen keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt, das passt doch alles, Florin!» Mit ihrem Stift deutete Beatrice auf den Computerbildschirm. «Und das ist der Sohn, der Felix heißt. Ich habe die Ehefrau angerufen und uns angekündigt.»
«Gut. Vogt will um zwölf zu obduzieren anfangen, also haben wir knappe zwei Stunden Zeit.» Er nahm seine Schlüssel vom Tisch. «Lass uns gehen.»
Sie waren noch nicht ganz aus der Tür, als Beatrices Handy klingelte. Der SMS -Ton verursachte ihr mittlerweile Gänsehaut, sie würde ihn ändern müssen. Sobald der Fall hinter ihr lag.
FTF
. Aber machen Sie sich nichts draus, Kopf hoch
.
Das war alles. Und wieder einmal ein Cacher-Kürzel, sie erinnerte sich, es auf der Liste gelesen zu haben. Auf dem Weg nach draußen riss sie die Tür zu Stefans Büro auf.
«Ruf bei der Telefongesellschaft an und lass dir durchgeben, wo der Owner vor etwa zwei Minuten sein Handy eingebucht hat.»
Er blickte hoch. «Okay.»
«Und was heißt noch mal FTF ?»
«First to find. Wenn du einen Cache als Erster findest, dann …»
«Schon klar. Danke.»
First to find. Er war schneller gewesen als sie, hatte sich denken können, dass sie jede weitere Person, die sie durch eines seiner Rätsel aufspürten, mit allen Mitteln beschützen würden. Doch das wollte er nicht, er wollte Estermann Säure einflößen …
Und dann diese sarkastischen Trostworte. Kopf hoch, machen Sie sich nichts draus, was für ein Dreckskerl. Hatte er wirklich Spaß, konnte er Vergnügen finden an dem, was er tat?
«Ich habe den Eindruck, er wird grausamer», sagte sie, als Florin das Auto vom Parkplatz steuerte.
Er sah sie kurz von der Seite an. «Ich nicht. Nora Papenberg ist schnell gestorben, aber Liebscher hat er zuerst ein Ohr abgeschnitten. Wir wissen noch nicht, wie er ihn am Ende getötet hat. Sigart hat schon zwei Finger verloren. Wer weiß, was ihm noch angetan wurde, bevor –»
Obwohl Florin es nicht aussprach, hörte Beatrice die Botschaft zwischen seinen Worten. Dass er nicht mehr daran glaubte, Sigart lebend finden zu können.
Fünf Tote in fünfzehn Tagen, mein Gott.
Kurz bevor sie bei Graciella Estermanns Wohnung eintrafen, rief Stefan an. «Bea? Das glaubst du nicht! Die letzte SMS des Owners – da war er bei der UMTS -Zelle auf dem Dach der Polizeidirektion eingebucht.»
«Verdammt.» So schnell konnte er nicht wieder verschwunden sein. Waren sie direkt an ihm vorbeigefahren? Beatrice unterdrückte den Impuls, Florin zur Umkehr zu bitten. Jetzt hatte das keinen Sinn mehr. «Danke, Stefan. Würdest du eine Runde ums Haus drehen und ein Auge darauf haben, wer da so herumspaziert? Nur der Vollständigkeit wegen, ich glaube nicht, dass der Owner noch da ist, aber –»
«– falls doch, kann es nicht schaden. Sicher.»
Sie berichtete Florin, was Stefan gesagt hatte. «Er hält sich in unserer Nähe auf. Gut möglich, dass die Nachrichtensperre das ihre dazu tut, er hungert nach Informationen.» Unvermittelt drehte sie sich um und spähte durch die Heckscheibe. Hinter ihnen fuhr ein weißer Astra mit einer dunkelblonden Frau am Steuer. «Wenn wir einparken, lass uns darauf achten, ob noch jemand stehen bleibt.»
«Oder», entgegnete Florin langsam, «ob schon jemand anders hier ist. Er kann sich ja ausrechnen, dass wir zu diesem Zeitpunkt den Namen des Toten herausgefunden haben müssen. Es liegt doch nahe, dass wir als Nächstes die Witwe besuchen.»
Die letzten fünf Fahrminuten sah Beatrice schweigend aus dem Fenster. Sie würde noch einmal mit Kossar sprechen müssen. Dass der Owner sich ihnen näherte, war eine Chance, die sie
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