Fuer Akkie
umgetauft in »FC Jufumist«: Jungenfußball ist Mist.
Daneben beteiligten sich die Sechstklässler gemeinsam mit den Fünftklässlern am Vorlesewettbewerb. Am Ende hatte man Annemieke zur besten Vorleserin der Martin-Luther-King-Sc hule gewählt. Sie würde es während der Festwoche mit den Schülern der anderen Schulen aus der Gegend aufnehmen müssen.
Außerdem hatten sie zwei Probe-Abschlussprüfungen geschrieben und fanden sie eigentlich halb so wild.
Und jetzt gab es also endlich einen Brief von Akkie.
Ina setzte ihre Lesebrille auf und faltete den Brief auseinander, ehe sie mit ruhiger Stimme zu lesen begann:
Liebe Klasse,
vielen Dank für die Karten und die gigantischen Zeichnungen! Meine Eltern haben sie alle in meinem Zimmer im Krankenhaus aufgehängt.
Ich liege auf der »Onkologie«, das ist so ein komisches Erwachsenen-Wort für Krebs, aber egal, die Krankheit ist dieselbe. Man sagt hier übrigens auch nicht Zimmer, sondern »Box«.
Bei uns auf der Station gibt es zehn Boxen und ich liege in Nummer vier. Das ist meine Glückszahl, also werde ich bestimmt gesund, sagt Doktor Schnauzer. Der heißt eigentlich auch anders, aber wir nennen ihn alle Doktor Schnauzer, weil er einen riesigen Schnurrbart hat. Er ist hier der Chef. An den Seiten meiner Box sind große Scheiben, und ich kann die Kinder in den anderen Boxen sehen.
Auf der einen Seite neben mir liegt ein witziger kleiner Junge. Er heißt Sven und ist erst fünf. Er kommt oft zu mir, und dann soll ich ihm vorlesen oder mir eine Geschichte ausdenken. Sven hat auch Leukämie, und er ist völlig kahl.
Fast alle hier haben eine Glatze. Das kommt von diesen blöden Medikamenten. Bei mir geht es noch, aber ich merke, dass meine Haare ausfallen. Darum lasse ich sie jetzt schon kurz schneiden. Das machen die meisten hier. Sonst läuft man die ganze Zeit mit kahlen Stellen auf dem Kopf herum und das sieht richtig doof aus.
Doktor Schnauzer ist übrigens auch kahl, aber das ist er von allein.
In der Box auf meiner anderen Seite liegt ein Mädchen, das so alt ist wie ich. Ich habe sie aber noch nicht so oft gesehen, weil die Vorhänge auf ihrer Seite immer zu sind. Ich darf auch nicht zu ihr, weil die blaue Karte an ihrer Tür hängt. Das heißt, dass ihr Blut nicht in Ordnung ist und dass sie sehr schnell Infektionen bekommen kann.
Ich fühle mich jetzt wieder ein wenig besser, aber die ersten Tage waren grässlich. Sie haben mir ununterbrochen unangenehme Spritzen in den Rücken und in die Arme gegeben. Ab und zu habe ich wie am Spieß geschrien. Wie ein Schweinchen, sagte Doktor Schnauzer. Ich weiß also jetzt ganz sicher, dass ich beim Fußballturnier hervorragend ferkeln kann.
Außerdem mussten ständig Fotos gemacht werden. Keine Porträts, sondern Fotos, auf denen man die Knochen sieht.
Jeden Tag habe ich über eine Infusion Medikamente bekommen. Zum Glück brauchen sie mich dafür nicht immer wieder in den Arm zu stechen, weil ich jetzt eine »lange Leitung« habe. Dafür haben sie erst einen kleinen Schnitt in meine Brust gemacht, und von dort führt ein Schlauch nach innen. Der ist dann an eine Ader im Körper angeschlossen. Es sieht ziemlich idiotisch aus, wenn da plötzlich so ein Schlauch aus einem rauskommt. An seinem Ende ist ein kleiner Hahn, wie bei einer Wasserleitung. Wenn ich eine Infusion kriege, hängen sie einen Beutel mit Medikamenten neben mein Bett. Der Beutel wird am Hahn angeschlossen, und ganz langsam tropft dann etwas durch die lange Leitung in meinen Körper.
Es tut nicht weh, aber mir wird total schlecht von dem Zeug und ich habe ständig das Gefühl, ich müsste kotzen, aber dagegen gibt’s Tabletten (man schluckt sich hier noch zu Tode an Tabletten!) und die vertreiben den Brechreiz ein wenig.
Seit vorgestern haben sie aufgehört mit diesem Beutel, und jetzt fühle ich mich etwas besser. Die lange Leitung bleibt einfach dran. Die rollen sie auf und kleben sie an der Brust fest, damit sie das Ding beim nächsten Mal wieder benutzen können. Es sieht zwar komisch aus, aber es ist klein und man gewöhnt sich daran.
Ich schlucke aber noch immer jeden Tag Prednison. Das ist eine seltsame Pillensorte. In einem Moment ist man ganz froh und im nächsten traurig. Aber man bekommt davon Hunger, und das soll so sein, denn bei all dem Medikamentenkram hat man eigentlich keine Lust zu essen.
Ich musste sogar von einem Teller Pommes kotzen. (Mein Vater sagt, ich soll nicht »kotzen« schreiben, aber ich mache es trotzdem.
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