Fuer Akkie
und ihn Elise mitzugeben.
Box vier
Am Mittwochnachmittag betraten Elise, Nilgun und Ina das Krankenhaus. Die beiden Mädchen waren schrecklich nervös und alberten vor lauter Anspannung leise herum; in Wirklichkeit war ihnen das alles ziemlich unheimlich.
Ihre Lehrerin marschierte mit großen Schritten vor ihnen her. Nilgun und Elise konnten kaum mithalten und mussten die Hälfte der Zeit rennen.
»Hallo«, rief Ina energisch, »jetzt ist aber Schluss mit Kichern! Gebt mal ein bisschen Gas.«
»Ja, Ina«, erwiderten sie brav und prusteten sofort wieder los.
Die Lehrerin sagte nichts und ging zügig weiter. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie nervös die Mädchen waren. Immerhin fühlte sie sich selbst auch nicht ganz wohl. Als ihr Mann Richard krank geworden war, hatte sie viele Stunden in diesem Krankenhaus verbracht; am Ende war er hier gestorben. Kurz bevor er krank wurde, hatten sie noch ausgemacht, dass sie beide aufhören würden zu arbeiten. Sie hatten vor, Wanderungen zu unternehmen und auf jeden Fall nach Australien zu reisen, wo ihre Tochter mit den Enkelkindern lebte.
Dann ging alles ganz schnell: Bei Richard wurde Krebs diagnostiziert, und innerhalb von drei Monaten war er tot.
Danach hatte Ina beschlossen, Lehrerin zu bleiben. Tagsüber ging es meistens ganz gut. In der Arbeit war sie abgelenkt, und die Kinder gaben ihr das Gefühl, dass das Leben einen Sinn hatte, auch ohne Richard. Aber wenn sie abends allein zu Hause saß, senkte sich ein dunkler Schatten über sie.
In den letzten beiden Jahren war es ein wenig besser geworden. Es gelang ihr immer öfter wahrzumachen, was sie Richard versprochen hatte: den Mut nicht zu verlieren und das Leben trotzdem zu genießen.
Aber jetzt kamen die Gefühle von damals wieder in ihr hoch. Kummer, Wut, Hoffnung und Zweifel folgten einander in so schnellem Wechsel, als würden sie Fangen spielen. Und tief in ihrem Herzen hatte sie Angst. Angst, dass es Akkie so ergehen würde wie Richard.
Natürlich ließ sie sich in der Schule nichts anmerken. Das wäre nicht fair gegenüber Akkie und den anderen. Die Schüler hatten noch ihr ganzes Leben vor sich, da dachte man nicht ans Sterben. Darum hatte sie in den letzten Wochen vielleicht etwas zu oft gesagt, Kinder mit Leukämie könnten wieder gesund werden.
Und dann kam zum Glück Akkies humorvoller Brief. Der hatte ihr selbst unglaublich gutgetan, und sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie in so düsterer Stimmung gewesen war.
Vollkommen in Gedanken versunken lotste Ina Nilgun und Elise durch die schier endlosen Gänge der Klinik.
Die beiden hatten mittlerweile bemerkt, dass irgendetwas ihre Lehrerin bedrückte. Wenn sie sich nach ihnen umschaute, wirkte sie nicht gerade fröhlich. Und wenn sie etwas von ihr wissen wollten, antwortete sie nicht. So kannten die Mädchen Ina gar nicht.
Elise begriff zuerst, was los war. Sie erinnerte sich wieder daran, was Laurens ihr erzählt hatte, als sie gemeinsam im Park saßen. Damals, bei dem Kampf zwischen Akkie und Joep.
Elise wurde langsamer, zupfte Nilgun am Ärmel und flüsterte: »Sie denkt bestimmt an ihren Mann. Der war auch eine Weile hier im Krankenhaus und ist dann gestorben.«
Nilgun nickte, und sie eilten schweigend hinter Ina her.
Endlich blieb sie vor einer verschlossenen Tür stehen. »Hier ist es«, sagte sie mit einem tiefen Seufzer.
»Kinderonkologie«, las Nilgun laut.
Ina klingelte, und eine Krankenschwester öffnete.
»Guten Tag«, sagte sie in einem singenden Tonfall.
»Sie sind Veerle!«, rief Elise, und sofort verfielen die beiden in ihren Dialekt.
»Hallo!«, rief Ina und lachte. »Wir sind auch noch da. Könnt ihr vielleicht mal dolmetschen, denn wenn ihr in eurem Kauderwelsch loslegt …«
»Wie, Kauderwelsch?«, protestierten Veerle und Elise gleichzeitig.
»Was habt ihr denn gesagt?«, fragte Ina.
»Dass Akkie in ihrem Brief von Veerle geschrieben hat«, sagte Elise. »Und dass sie Veerle von mir erzählt hat.«
» Geht bloß schnell zu ihr!«, sagte Veerle. »Akkie macht uns schon den ganzen Tag wahnsinnig. Sie ist völlig aus dem Häuschen, weil ihr zu Besuch kommt.«
Sie hielt ihnen die Tür auf, und Ina und die beiden Mädchen schauten verblüfft in den hellen, geräumigen Flur. Dort sah es gar nicht aus wie in einem Krankenhaus. Überall hingen Kinderzeichnungen und Poster in knallbunten Farben an der Wand. Außerdem stolperte man über Teddybären und Puppen, und in der Mitte stand ein großes Regal mit
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