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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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nicht einschlafen können, glaube ich, sagt er, du hast es schrecklich schwergenommen, und sie fragt erstaunt, wirklich? Schwerer als du? Und er sagt, klar, du hast die ganze Zeit gesagt, du würdest lieber sterben, nur wenn du tot wärst, könntest du schlafen, ich weiß noch, wie erschrocken ich war, ich war ein Kind, ich wusste nicht, wie ich dir helfen konnte.
    Hast du es unseren Eltern erzählt?, fragt sie, und er sagt, nein, ich habe lange mit mir gekämpft und am Schluss entschieden, dass es deine Sache ist, ob du ihnen etwas sagen willst. Ich hatte damals sehr feste Ansichten, er kichert, ich wünschte, ich hätte bis heute an ihnen festgehalten, und sie seufzt, ich habe mich vermutlich weniger verändert als du, leider, ich habe auch heute sterben wollen, und sie schränkt ein, fast jedenfalls, in der letzten Zeit scheint es mir, als wäre ich bereits gestorben, als wäre mein Leben zu Ende, das ist ein schreckliches Gefühl, ich schaffe es nicht, mich davon zu befreien.
    Wie hat das angefangen?, fragt er, bestimmt gab es doch einen Auslöser, oder? Und sie seufzt wieder, vielleicht ist es das Alter, die Hormone, ich verstehe es nicht ganz, aber ich fühle mich plötzlich so allein, als löse sich alles, was ich gedacht habe, in Luft auf, und weil er nicht reagiert, sondern sich mit einem düsteren Nicken begnügt, als bestätige er ihre Worte, fährt sie fort, ich glaube, alle halten mich für verrückt, es gibt da etwas, was ich mit dem Rest meines Lebens tun möchte, aber vermutlich wird es nicht passieren.
    Was ist das?, fragt er, und sie zögert, lass es, sonst hältst du mich auch für verrückt, ich weiß, dass ich die ganze Sache vergessen und das genießen sollte, was ich habe, aber ich schaffe es nicht, und als er lacht, fragt sie, warum lachst du? Und er sagt, seit wann fühlt man in unserer Familie das, was man fühlen sollte? Sie lächelt kurz, daran habe ich nicht gedacht, die Wahrheit ist, dass ich überhaupt nicht daran gewöhnt bin, mich als Teil der Familie zu betrachten, wir waren immer sehr verschieden.
    Sag, was möchtest du tun?, fragt er, willst du für ein Jahr nach Indien fahren? Hast du dir einen jungen Liebhaber genommen? Und sie sagt, schön wär’s, diese Lösungen hätten zu mir gepasst, glaub mir, das wäre wirklich viel einfacher. Nein, was ich will, ist viel grundlegender, sie zögert, bevor sie fortfährt, aber auch viel komplizierter, ich möchte ein Kind adoptieren, bestimmt hältst du das für eine Schnapsidee, Männer haben keine Beziehung zu so etwas, ehrlich gesagt, auch Frauen nicht, sie stottert, auch junge Mädchen nicht, das heißt Töchter, das heißt Nizan, und als ihre Stimme bricht und ihr Kopf unwillkürlich an seine Schulter sinkt, streckt er die Hand aus und umarmt sie, Dini, sagt er, ich verstehe nicht, warum du dich entschuldigst, ich halte das für etwas Großartiges, was gibt es Schöneres als das?
    Aber ich möchte es nicht tun, weil es schön ist, bekennt sie mit feuchten Augen, ich möchte es für mich, verstehst du, weil es mein Bedürfnis ist, ich bin keine Wohltäterin, und er sagt, warum solltest du eine Wohltäterin sein?
    Und was spielt dein Motiv überhaupt für eine Rolle, weißt du, was für seltsame Motive die Menschen dazu bringen, Kinder in die Welt zu setzen? Du brauchst ein Kind und möchtest eins adoptieren, das eine Mutter braucht, was ist logischer?
    Aber Avni, das ist ein Wunschbild, sie wirft ihm alle Worte entgegen, die sie in den letzten Wochen gehört hat, das ist einfach eine romantische Vorstellung, es handelt sich um schwierige Kinder, Kinder mit vielen Problemen, und er lacht, na und? Brauchen schwierige Kinder etwa keine Mutter? Natürlich wird es auch Schwierigkeiten geben, aber du wirst sie überwinden und ein Kind gerettet haben, und sie weint an seiner Schulter, vermutlich will ich mich selbst retten, und alle sagen, ich müsste ganz anders damit umgehen, ich solle Hormone nehmen oder mich behandeln lassen, oder ganz einfach mit dem zufrieden sein, was ich habe, aber ich kann es nicht.
    Natürlich kannst du das nicht, sagt er und hält ihr ein benutztes Papiertaschentuch hin, wie kann man ein so starkes Bedürfnis unterdrücken? Ich wage gar nicht, daran zu denken, was für einen Preis man für ein gewaltsames Unterdrücken bezahlen muss, aber sie unterbricht ihn, ich muss verzichten, ich habe keine Wahl, Gideon ist auf keinen Fall einverstanden, und allein kann ich es nicht, und Avner sagt, dann werde ich dir helfen,

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