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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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dabei sind alle schon dort, die gehorsamen Arbeiter in ihrer Arbeitskleidung, die Arbeiter des Untergangs ernten hohle Oliven, melken schwarze Milch aus Kuhkadavern, sammeln verkohlte Eier, von toten Hühnern gelegt, fahren in der Abenddämmerung hinaus und fischen Gräten, so viel vergebliche Mühe, denn die Toten brauchen keine Nahrung.
    So viel vergebliche Mühe, genau so fühlt sie sich auch in diesen Tagen, denn nichts macht ihr Freude, das Essen schmeckt ihr nicht, weder die Oliven noch das Obst, denn es wurde nicht mit Liebe gepflückt, sondern mit Hass, mit Hochmut. Wie hochmütig waren sie damals, sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder, überzeugt, dass dies die erhabenste Lebensform ist, jeder gibt, so viel er kann, und jeder nimmt nach seinen Bedürfnissen, aber wozu brauchte man die ständigen Blicke darauf, wie sich der andere verhielt, wer wen ausnutzte. Sie hatte das Gefühl, auch im Schlaf beobachtet zu werden, als wäre ihr Bett von Richtern umgeben und als würden deren Urteile von Stunde zu Stunde härter, selbst jetzt wacht sie noch voller Angst auf, zu spät dran zu sein, und sie schaut sich mit einem entschuldigenden Blick um, hofft, dass niemand es gemerkt hat, schließlich hat sie die Pflicht, ein Vorbild zu sein, wie ihr Vater immer wieder betont hat.
    Seine ganze Lehre beruhte auf der Idee von der Verbesserung jedes Einzelnen, aus dem eine bessere Welt erwachsen würde, aber sie hatte zu schnell aufgegeben, denn als sie begann, etwas zu verstehen, brach alles zusammen, und sogar lange davor, schon nachdem sie sich geweigert hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, und Chemda bewegt sich rastlos in ihrem Bett, es ist zu spät dafür, einen Sinn in dem Leben zu suchen, das schon gelebt ist, denn was soll dieses Gewirr, es ist ein Durcheinander von Zeit und Raum, es sind Ablagerungen der Unzufriedenheit, es sind unterirdische Gänge ohne Vergebung, aus denen die Kleine aufgetaucht war, die zu spät mit dem Laufen begann, das Mädchen, das prahlerische Mutproben bestehen sollte, die junge Frau, die kaltblütig auf Liebe verzichtete, die unreife Mutter, und auch nach dem Tod ihres Mannes verzichtete sie vorschnell auf den Rest ihres Lebens, so wenig hat sie gewollt, nur dass man sie in Ruhe ließ oder dass man sie ohne Bedingungen liebte, sie hat freudlos zugeschaut, wie ihre Kinder erwachsen wurden, wie sie sich für ein eigenes Leben entschieden, und ihr Versagen hat einen Schatten auf deren Anstrengungen geworfen.
    Stumm betrachtet sie ihre Kinder, bewegt sich zwischen schmerzhafter Nähe und noch schmerzhafterer Fremdheit, sie betrachtet den schweren, geschlagenen Mann, die stachelige raue Frau, und es gelingt ihr nicht, in ihnen die Kinder zu erkennen, die sie einmal waren, nur sich selbst erkennt sie, als hätte sich seither nichts verändert, und wieder wundert sie sich, wie wenig in ihrem Leben übereinstimmte, sie passte nicht in den Kibbuz, nicht zu ihren Eltern, nicht zu ihrem Mann und nicht zu ihren Kindern, was für einer Art ergebnislosem Versuch wurde sie unterworfen, noch dazu einem, der so lange dauerte. Gibt es irgendein geheimes Ziel, wird man ihr noch eine Möglichkeit bieten, sich der Realität von Zeit und Ort anzupassen, und als sie an den Moment denkt, an dem sie hier weggehen und sich mit ihren Eltern vereinen wird, die dort mit offenen Armen auf sie warten, um ihr eine zweite Kindheit anzubieten, ergreift sie plötzlich ein heftiger, bohrender Schmerz über die Trennung von ihren Kindern. Sie wird sie viele Jahre lang nicht mehr sehen, sie wird nichts von ihrem Leben wissen, sie wird keine Hilfe anbieten können, sie hinterlässt ihnen nichts anderes, als dass sie sich gegenseitig haben, Bruder und Schwester, und ein leeres Heft. Bist du wach, Oma?, hört sie plötzlich eine Stimme, die sie lange nicht mehr gehört hat, diesmal darf sie sich nicht verspäten, sie muss hier sein, in dieser Zeit, an diesem Ort, sie tastet nach ihrem Gaumen, um sich zu vergewissern, dass ihre Zähne an Ort und Stelle sind, bist du das, Nizani? Ja, ich bin wach.
    Wie fühlst du dich?, fragt das Mädchen, und Chemda streckt die Hand nach dem warmen Atem aus, ihre Augen sind noch geschlossen, die meiste Zeit des Tages sind sie von den Lidern bedeckt, wie Rollläden, die hochzuziehen sich nicht lohnt, und jetzt hat sie das Gefühl, als sei ihr Gehirn bereits nicht mehr fähig, diesen einfachen Auftrag auszuführen. Unter ihren Fingern spürt sie eine Fülle weicher Haare, die sie an die Haare

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