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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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ihrer Mutter erinnern, wenn sie sie in der Sonne trocknen ließ, nach dem Waschen am Schabbat, hatten ihre Hände die duftenden Wolken berührt. Ihre Augen flattern vor Anstrengung, geht es dir gut, Oma?, fragt ihre Enkelin, ihre Stimme klingt etwas verängstigt und Chemda beeilt sich zu sagen, ja, mach dir keine Sorgen, es tut mir schon weniger weh, orangefarbenes Licht dringt durch ihre Augenlider und schickt honigfarbene Strahlen vom Kopf bis in ihre Zehen, wie süß dieses Mädchen ist, und auch sie wird sie nicht mehr sehen, und auch von ihrem Leben wird sie nichts wissen, aber wie wenig weiß sie heute von ihr, als wäre sie schon tot, und wie sehr hatte sie sich bei ihrer Geburt über sie gefreut, hatte sich danach gesehnt, an ihrem Aufwachsen beteiligt zu sein, aber Dina hatte sie von ihr ferngehalten, erlaubte ihr nicht, einen Fuß zwischen das Kind und die Mutter und ihre Liebe zueinander zu schieben. Nur einmal, als sie nach Venedig fuhren, hatte sie die Kleine bei ihr gelassen und sie hatte das Vergnügen genossen, das ihr aber schnell wieder abgenommen wurde, und die ganze Zeit hatte sie gehofft, das Mädchen würde sich später, wenn es älter wurde, von der Mutter entfernen und zu ihr kommen, aber auch später war Nizan immer ein bisschen distanziert gewesen, als brauche sie sie nicht, hat sie sie bis zu diesem Moment tatsächlich nie gebraucht?
    Ihre Lider lösen sich, sie öffnet die Augen zu dem blassen, etwas sommersprossigen Gesicht, das sich mit seiner verinnerlichten durchsichtigen Schönheit langsam in ihr Herz schleicht, wem sieht sie ähnlich? Immer deutlicher scheinen sich bei ihr Eliks Züge zu zeigen, wie er als junger Mann ausgesehen hatte, hoffentlich wird sie nicht so hart wie er, sie muss auf ihre Zartheit achten. Sie sieht noch immer aus wie ein Kind, sie hat sich nicht viel verändert, seit sie als Sechsjährige eine Woche bei ihr gewesen war, und sie erinnert sich, wie das Mädchen gebeten hatte, in ihrem Bett schlafen zu dürfen, um sich in ihrem Herzen zu verstecken, so hatte sie es ausgedrückt. Verstecken vor wem?, hatte sie gefragt, und das Mädchen hatte geantwortet, vor der Trennung, und so hatten sie eine Woche lang ruhig geschlafen, wie einfach das war, zum ersten Mal in ihrem Leben, einfach schlafen, einfach lieben, ein Mädchen, das nicht ihre Tochter war, und sie sagt, wie schön, dich zu sehen, mir kommt es vor, als hätte ich dich seit Jahren nicht mehr gesehen, bist du allein gekommen, ohne deine Mama?
    Ja, Mama ist bei der Arbeit, antwortet Nizan, ich habe ihr auch nicht gesagt, dass ich zu dir gehe, und Chemda fragt, und wie geht es dir, was ist mit der Schule? Sie versucht, einen Faden zu erwischen, an dem sie sich festhalten kann, denn eigentlich weiß sie nichts vom Leben ihrer Enkelin. Sie erinnert sich daran, wie alt sie ist und dass sie gern liest und malt, vielleicht sogar fotografiert, doch viel mehr weiß sie nicht, aber Nizan unterbricht das tastende Gespräch sofort, wir haben jetzt keine Schule, es sind die großen Ferien, und mit düsterer Stimme fragt sie, sag, Oma, kann ich bei dir wohnen?
    Natürlich, was für eine Frage, antwortet sie, fahren deine Eltern ins Ausland? Und das Mädchen sagt, nein, ich möchte einfach nicht mehr zu Hause wohnen, und Chemda wundert sich über diese Worte und plötzlich ist sie erschöpft, gleich werden ihr die Augen wieder zufallen, und mit ihnen wird die Helligkeit verschwinden wie ein glänzender Fisch im See, sie muss versuchen, sie festzuhalten, mit allen Tricks, die sie kennt, das ausgeworfene Netz öffnet sich kreisförmig, eine Handvoll weißer Hirse umfängt sie, Ruder schlagen ins Wasser, flieht, Fische, flieht von hier. Jetzt hört man in der Ferne einen Sturm aufkommen, man muss schnell zum Ufer zurück und die Kähne aufs Trockene ziehen, die Wellen werden langsamer und länger, bis sie sich überschlagen, scheiden Schaum aus, schlaf nicht ein, es ist noch nicht die Zeit zum Schlafen, schreit ihr Vater sie an, und sie schüttelt sich, betrachtet die Gestalt, die neben ihr sitzt, schlaf nicht ein, Oma, bleib bei mir, und sie netzt sich die Lippen mit der Zunge, schmeckt Blut, was hast du gesagt? Und Nizan seufzt, ich habe gesagt, dass Mama mich nicht mehr zu Hause haben will, ich störe sie bei ihren Plänen, und Chemda fragt noch einmal, was hast du gesagt, was ist mit deiner Mutter? Eine leidvolle Befriedigung steigt in ihr auf, das Mädchen braucht sie zum ersten Mal, zum ersten Mal hat sie ihre Tochter

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