Fuer den Rest des Lebens
an Schlomits Fülle gewöhnt, deshalb streichelt er neugierig über ihren knochigen Rücken, die Wirbel ragen heraus wie Nüsse, seit wann bist du eigentlich so dünn?, fragt er, früher warst du nicht so, weißt du noch, dass du dich in der Toilette übergeben hast, um abzunehmen?
Du hast das gewusst?, fragt sie erstaunt, warum hast du mir nicht gesagt, dass du es weißt? Und er antwortet, ich wollte dich nicht beschämen, und sie seufzt, schade, es hätte mir geholfen, und er denkt an die knochige Frau, die ihm auf der Straße Wasser angeboten hat, groß und stängelgleich wie sie, wenn er sich an ihr festgehalten hätte, hätte er bestimmt die gleiche Verwirrung gespürt, Knochen an Knochen, ohne Fleisch, wie anziehend findet er plötzlich diese Nähe zu Knochen, komm, Dini, feiern wir deinen Geburtstag.
Was trinkst du, fragt er, als sie sich auf den Hocker ohne Lehne setzt, und sie sagt, heiße Milch, sie lächelt ihm zu, mit schönen, blassen Lippen, ihre Haut strahlt, und er sagt, das Tote Meer hat deiner Haut gutgetan, hast du ein Schwefelbad genommen?, und sie sagt, nein, ich hatte gar keine Zeit, das Zimmer zu verlassen, bestimmt liegt es am Schummerlicht von Mutters Sparbirnen, und er sagt, keine Ahnung, du siehst verändert aus, er kocht Milch in einem Topf und gießt sie in zwei alte gelbe Tassen.
Zum Wohl, Dini, er stößt mit seiner Tasse an ihre, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Schwesterchen, und sie nähert sich seinem Gesicht, ihre braunen, tiefen Augen sind feucht, und er erinnert sich, wie sie vor dreißig Jahren genau so hier saßen, seine sechzehnjährige Schwester und er mit fast vierzehn, ein paar Tage, nachdem sie den Kibbuz verlassen hatten, in der Wohnung stapelten sich noch Kartons und im Zimmer nebenan stritten ihre Eltern. An jenem Tag hatte es im Haus nur Streit gegeben, denn ihre Mutter hatte morgens von der Erziehungsbehörde die Mitteilung erhalten, dass sie die versprochene Stelle an einem Gymnasium nicht bekommen würde, und der Vater hatte ihr immer wieder vorgeworfen, es sei alles ihre Schuld. Wir hätten den Kibbuz nie verlassen dürfen, schrie er, wovon sollen wir leben? Glaubst du etwa, mein Gehalt bei der Bank reicht? Und wenn ich ebenfalls entlassen werde? Ich habe es dir oft genug gesagt, das ist kein Alter, in dem man ein neues Leben anfängt! Und über dem ganzen Streit hatten sie Dinas Geburtstag vergessen, und als er gegen Mitternacht aufwachte und in die Küche ging, fand er seine Schwester dort vor, er sieht das Bild noch deutlich vor sich, sie trug ein langärmliges Nachthemd mit grauen Blumen, die dunklen Haare standen ihr wirr um den Kopf, sie trank Milch und aß einfache Kekse, die sie aus dem Kibbuz mitgebracht hatten.
Sie fuhr erschrocken zurück, als sie ihn hereinkommen sah, doch dann nahm sie die Füße vom Stuhl gegenüber und machte eine Handbewegung, er solle sich setzen, und sagte fast entschuldigend, ich habe heute Geburtstag, als ob man nur einmal im Jahr, an seinem Geburtstag, essen und trinken dürfe, und er erinnert sich genau, dass er sie umarmen wollte, weil er sie plötzlich so gernhatte, aber mit der ungeschickten Bewegung eines Heranwachsenden traf er ihren Arm, und das Glas, das sie in der Hand hatte, fing an zu wackeln und Milch ergoss sich über den Tisch, und sie beschimpfte ihn, wischte nachlässig über den Tisch und die Milch tropfte auf den Boden, und er ging schnell zurück ins Bett, gekränkt und wütend, doch er konnte nicht wieder einschlafen, und dann hörte er, wie sie sich in der Toilette einschloss. Erst verstand er nicht, was die Geräusche bedeuten sollten, die herausdrangen, Husten und ersticktes Keuchen, er hatte Angst, es sei ihr etwas passiert, und als ihm klar wurde, was los war, packte ihn Wut wegen der Verschwendung, Mutter ist heute entlassen worden, dachte er, und wir haben kein Geld und wir werden nichts zu essen haben und du vergeudest auf diese Weise Kekse.
Erst in dieser Nacht, dreißig Jahre später, versteht er das, er betrachtet sie traurig, doch zu seinem Erstaunen strahlt seine Schwester ihn an und sagt entschuldigend, jetzt ist alles anders, ich sollte mich schrecklich fühlen, aber ich fühle mich großartig, und er fragt, was ist passiert? Habt ihr euch gestritten wegen der Adoption? Und sie sagt, so ungefähr, wir haben nicht richtig gestritten, ich habe einfach gesagt, dass ich nicht auf das Kind verzichten werde, und er hat gesagt, für ihn komme das nicht in Frage, aber er war einverstanden,
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