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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Augen auf und schrie sie an, natürlich lebe ich, was brüllst du so? Ich habe Grippe, das ist alles, und schimpfend zog sie Dina unter ihre Decke, wie seltsam und einzigartig war die Berührung ihres Körpers, Dina weiß jetzt noch, wie ihre Mutter ganz langsam vor ihr zurückwich. Es war eine körperlich spürbare Abneigung, obwohl sie sie im Arm hielt, eine Abneigung, die sie vergeblich zu verbergen suchte, und Dina wurde von einem heftigen Mitleid mit ihrer Mutter gepackt, die gezwungen war, ihre Nähe zu ertragen, und manchmal hat sie auch heute das Gefühl, dass von Gideons Körper ein Echo dieses Gefühls ausgeht, wenn sie zusammen unter der Decke liegen, und dann dreht sie ihm den Rücken zu und verkriecht sich in sich selbst, als hätte er sie geschlagen.
    Im hellen Licht sieht das eingefallene Gesicht ihrer Mutter wie ein vom Baum gefallener Apfel aus, fleckig, ausgetrocknet und vernarbt, aber ihre Augen sind verschattet und Dina setzt sich erregt aufs Bett. Geht es dir gut, Mama?, fragt sie seltsam schreiend, sie hebt die Decke und drückt sich in das Bett, das einmal ihres war, in dem Zimmer, das einmal ihres war, und schmiegt sich wie damals an den Körper, der so geschrumpft ist, dass man ihn kaum wiedererkennt. Mamale, flüstert sie, erinnerst du dich, dass Nizan mich so genannt hat? Vielleicht magst du diesen Kosenamen ja auch, ich brauche Hilfe, Mamale, sie umklammert den Körper, der eine leichte, aber beständige Wärme ausstrahlt, unbeteiligt wie eine Leiche und trotzdem lebendig, ich bin so allein, so hast du dich bestimmt auch gefühlt, als Papa starb und wir das Haus verlassen haben, aber Gideon ist nicht tot und Nizan hat das Haus nicht verlassen, und trotzdem bin ich allein. Du hattest recht und ich habe mich geirrt, ich hätte noch ein Kind bekommen sollen, und jetzt ist es zu spät, ich weiß, dass es größere Probleme gibt, aber ich habe das Gefühl, als wäre mein Leben zu Ende, vorsichtig nimmt sie den Arm ihrer Mutter und schiebt ihn zu einer erzwungenen Umarmung unter ihre Schulter.
    Hörst du, Mutter, ich würde jetzt so gern in den Kindergarten gehen und mein Kind abholen, ich möchte die Freude auf seinem Gesicht sehen, wenn ich eintrete, ich möchte es umarmen und mit ihm in den Zoo gehen, ich möchte mit ihm spielen und ihm Geschichten vorlesen, schau, ich habe so viel, was ich ihm geben könnte, ich habe Zeit und ich habe Geduld und ich habe Liebe, aber ich habe kein Kind, und ich sehe den Jungen vor mir, der mir fast geboren worden wäre, Nizans Zwilling, ich sehe ihn ganz deutlich, und während sie sich an ihre Mutter schmiegt, vermeidet sie es, in ihr Gesicht zu schauen, aus Angst, von einem verächtlichen Lächeln zurückgestoßen zu werden, einem schalen Ausdruck, daher erschrickt sie, als sie plötzlich ihre Stimme hört, als hätte sich ihnen eine dritte Person angeschlossen, eine fremde Person, so sehr ist sie bereits an das Schweigen der alten Frau gewöhnt, die jetzt ein wirres Gemurmel ausstößt, such dir einen Jungen.
    Was hast du gesagt? Sie dreht sich auf den Bauch und nähert ihr Gesicht dem ihrer Mutter, trotz ihres muffigen Mundgeruchs, was für einen Jungen? Wie soll ich ihn finden? Er ist doch in meinem Bauch gestorben, und wieder ist die Stimme zu hören, such dir einen Jungen, aber ihre Augen fallen schon zu und Dina weiß nicht, ob sie wirklich etwas zu ihr gesagt hat oder ob es ein zufälliges Zusammentreffen ihrer beider Bewusstseinsebenen war, denn seit sie aus dem Krankenhaus zurückgekommen ist, hat sie fast die ganze Zeit geschlafen und kaum reagiert, und sie schien ihre Kinder nicht zu erkennen, auch wenn sich manchmal für einen Augenblick ein scharfer Groll auf ihrem Gesicht gezeigt hat, der sich ohne bestimmte Absicht gegen sie, ihre Kinder, zu richten schien.
    Mutter, erkläre mir, was du meinst, drängt sie, wie soll ich ihn finden, wo findet man Kinder? Aber nur ein Schnarchen kommt aus der Kehle der alten Frau, und Dina legt den Kopf neben ihrem auf das Kissen, wenn Gideon schnarcht, wälzt sie sich oft stundenlang im Bett herum, während das Schnarchen ihrer Mutter sie beruhigt, als letztes Zeichen des Lebens, das noch in ihr ist. Weißt du, Mutter, mir ist jetzt so kalt, dass ich sogar dein bisschen Wärme noch brauchen kann, flüstert sie in die großen Ohren, Elefantenohren an dem dünnhaarigen Schädel, dann wieder ist mir so heiß, dass ich deine Kälte brauchen kann, und manchmal habe ich das Gefühl, verrückt zu werden. Erst neulich

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