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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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sie, auch wenn die meisten keine eigenen Kinder haben, sie sprechen für sie, sie verstehen ihre Not, und sie ist so versunken ins Lesen, sie merkt nicht, dass es dunkel wird, noch nicht einmal, dass er nach Hause kommt, bis er in ihrer Tür steht, mit kräftigen Beinen in kurzen Hosen und in einem verblassten T-Shirt, er zieht immer das Hemd an, das er als Erstes im Schrank findet, er lehnt es ab, sich um sein Aussehen zu kümmern, und trotzdem sieht er immer irgendwie gut aus.
    Bist du endlich zu deiner Dissertation zurückgekehrt, er lächelt sie zufrieden an, es wird wirklich Zeit, und sie beeilt sich, den Computer auszuschalten, ich habe erst noch eine Million Arbeiten zu korrigieren, sagt sie, ich habe die Nase voll von diesem Wust zu jedem Schuljahresende. Wenn du an der Universität geblieben wärst, hätten deine Assistenten für dich die Arbeiten durchgeschaut, erinnert er sie, du musst dorthin zurück, es ist kaum zu glauben, wie du dir von diesem Blödsinn die Karriere hast versauen lassen, und sie protestiert, es reicht, Gideon, das ist vorbei, ich habe keine Chance, zur Universität zurückzukehren.
    Ich bin sicher, du könntest es, beharrt er, du weißt nicht, wie gut du bist, du müsstest nur deine Dissertation fertig schreiben, dann würden sie dir hinterherlaufen, und sie lacht, ohne Zweifel, vielleicht sollen wir essen gehen, du und ich? Nizan schläft bei Tamar, und er sagt, ich weiß, ich habe gerade mit ihr gesprochen, und fügt sofort hinzu, ich habe wirklich keine Lust, auszugehen, und sie steht auf, nicht überrascht, das ist seine übliche Antwort, gut, dann mache ich uns was, sie fühlt sich plötzlich vital, sie ist überzeugt, dass es ihr an diesem Abend gelingen wird, ihn von ihrem noch nebelhaften Plan zu überzeugen, dessen Anfang noch sehr verschwommen ist, am Ende aber ihre Sehnsucht erfüllen wird.
    Begeistert stellt sie eine Flasche Weißwein kalt, schneidet Gemüse, sie wird eine kalte Joghurtsuppe zubereiten, passend zum Wetter, und ein Omelett mit Kräutern, er liebt einfaches Essen, genau wie sie, und diesmal wird sie nicht traurig sein, dass Nizan nicht mit ihnen am Tisch sitzt, denn heute Abend braucht sie nur ihn, seine Zustimmung, um ihrer kleinen Familie neues Leben einzuhauchen, ihr Geschmack und Hoffnung zu geben, und als er in die Küche kommt, mit nacktem Oberkörper, fällt ihr auf, wie viel älter er geworden ist, die Haare auf seiner Brust sind weiß geworden, seine schönen, vollen Lippen sind in der letzten Zeit härter, aber sie lässt sich nicht davon stören, und auch dem Jungen wird es egal sein, lieber ein alter Vater als gar keiner, und er schenkt ihr einen fast väterlichen Blick, du siehst viel besser aus, stellt er fest, ich sage schon seit Jahren, dass du dich wieder an deine Doktorarbeit machen sollst, ich habe gewusst, dass es dir guttun wird, und wieder wundert sie sich, dass er sie überhaupt bemerkt, auch wenn er sich in seiner Schlussfolgerung irrt.
    Mit einem dünnen Lächeln deckt sie den ein bisschen wackligen Holztisch auf dem Balkon, ein leichter Abendwind weht ihr beruhigend ins Gesicht, gibt jeder Bewegung eine Bedeutung, und sie gießt Wein in Gläser, schöpft Joghurtsuppe in Schalen und schneidet Brot. Sie liebt es, ihn essen zu sehen, seine Bewegungen sind vornehm und gemessen, so wie Nizans Bewegungen, nicht wie ihre, die noch immer das Essen in sich hineinschlingt, als müsse sie es mit zwanzig anderen Kindern teilen, und sie betrachtet ihn mit Vergnügen und fragt, also wo hast du heute fotografiert?
    Ich war in diesem Klub für Gastarbeiterkinder, sagt er, wie süß sie sind, es ist schrecklich, wie man sie behandelt, und sie ist erregt wegen ihres Glücks, es kommt ihr als Zeichen vor, auf das sie gewartet hat, um ihm die Sache vorzulegen, aber womit soll sie anfangen, sie hätte sich darauf vorbereiten sollen wie auf eine Unterrichtsstunde, sie trinkt schnell einen Schluck Wein, Schweiß bedeckt ihr Gesicht, sie wischt es mit einer roten Papierserviette ab, die auf ihren Wangen zerbröckelt und rote, dünne Streifen hinterlässt, als wären es Kratzer.
    Gideon, hör zu, sie muss sich vernünftig anhören, verantwortungsbewusst, nicht zittrig und verwirrt, wie sie aussieht, vor allem, da ihr Gesicht plötzlich heiß wird, und er schaut sie an, was ist los?, fragt er, aber in seiner Stimme liegt kein Interesse, sondern Müdigkeit, als fürchte er sich vor dem, was kommen würde, und sie lächelt angespannt, alles in Ordnung, sagt

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