Fuer den Rest des Lebens
sie, ich habe nur so einen Gedanken, einen Wunsch, besser gesagt, ich habe plötzlich verstanden, was wir tun müssen, damit es uns gut geht, doch schon schweigt sie, denn sie hat das Gefühl, dass das säuerliche Joghurt mit dem Gemüse, das sie so sorgfältig hineingeschnitten hat, ihr in der Kehle aufsteigt und droht aus ihrem Mund zu brechen, was für ein jämmerlicher Satz, sie ist die Einzige, die es so empfindet, denn er sagt kühl, aber uns geht es gut, jedenfalls mir geht es gut, mehr oder weniger, soweit es möglich ist, es ist natürlich alles eine Frage, was man erwartet, du hast doch nicht etwa vor, mich zu einer Art Selbsterfahrungsworkshop zu schleppen, oder zu Buddhisten oder so etwas? Und sie bricht in gezwungenes Lachen aus, um Gottes willen, nein, beruhigt sie ihn schnell, obwohl ihr klar ist, dass er sich gleich nach dem einen oder anderen Workshop sehnen wird.
Hör zu, Nizan ist schon groß, versucht sie es, aber diese Feststellung treibt ihr schon Tränen in die Augen, als hätte sie gesagt, Nizan ist krank, oder noch schlimmer, Nizan ist tot, und sie fährt mit jammervoller Stimme fort, während sie die von ihrem Schweiß feuchte Serviette an ihre Nasenlöcher drückt, und du weißt, wie leid es mir tut, dass wir nicht noch ein Kind bekommen haben, aber plötzlich ist mir klar geworden, dass das vielleicht ganz gut ist, denn es ermöglicht uns, etwas zu tun, was noch schöner ist, hörst du?
Ich habe dir immer gesagt, dass mir ein Kind reicht, ich freue mich, dass du es verstanden hast, er nickt, und sie zieht sich zusammen, als würde sie geschlagen, sie steht auf und setzt sich auf seine Knie, legt den Kopf an seine Schulter, sehnt sich nach einer beruhigenden Berührung. Du verstehst es nicht, Gideon, flüstert sie, mir ist plötzlich klar, was wir tun müssen, ich weiß, dass du es anfangs für verrückt halten wirst, aber wenn du darüber nachdenkst, wirst du verstehen, dass es für uns alle wunderbar ist, und er trommelt mit den Fingern auf den Stuhl, dessen Holz rissig ist von Sonne und Regen, wovon redest du?, fragt er, und sie sieht zum ersten Mal die Wörter deutlich vor sich, nicht jene, die durch das Zimmer ihrer Mutter klangen, auch nicht die stummen Wörter auf dem Bildschirm ihres Computers, sie zögert, dann sagt sie leise, ich möchte ein Kind adoptieren.
Was?, brüllt er, aber vielleicht kommt es ihr nur so vor, weil sein Mund so nah an ihrem Ohr ist, und sofort springt sie auf, oder vielleicht ist es nicht das, was sie aufspringen lässt, denn nun schaut er sie von unten nach oben an, ein Kind adoptieren? Wie kommst du plötzlich auf so etwas? Du bist nicht normal, Dina, machst du dich über mich lustig? Sie setzt sich ihm gegenüber, wo ist bloß ihr scharfer Verstand, wenn sie ihn dringend braucht, warum kann sie ihre Gründe nicht so flüssig vorbringen, wie sie die Gründe für die Vertreibung aus Spanien aufzählen kann, und sie sagt, hör mir einen Moment zu, warum bist du sofort dagegen, wir haben nur eine Tochter, und sie ist schon groß, noch ein paar Jahre, dann verlässt sie das Haus, und ich bin so gern Mutter, warum sollten wir nicht ein kleines Kind retten, das kein Zuhause hat, und nicht nur das Kind, auch uns, unser Leben würde wieder einen Sinn bekommen, statt dass wir nur alt und leer werden, siehst du nicht, wie wunderbar das sein könnte?
Nein, wirklich nicht, sagt er verzweifelt, ich brauche keine Rettung, und es tut mir leid zu hören, dass du Angst davor hast, mit mir allein zu bleiben, wenn Nizan das Haus verlässt, du redest Blödsinn, ich weiß nicht, was mit dir plötzlich los ist. Schön, dass du gern Mutter bist, aber auch wenn Nizan groß ist, hörst du nicht auf, ihre Mutter zu sein, und sie wird dich ihr Leben lang brauchen, und außerdem, du bist gern Nizans Mutter, woher weißt du, dass du auch gern die Mutter eines Kindes sein wirst, das nicht deines ist, mit allen möglichen Problemen, die du noch nie erlebt hast? Eine Adoption ist wie eine Katze im Sack, ich habe schreckliche Geschichten über Adoptionen gehört, der Freund des Sohns von meinem Anwalt hat sich gerade umgebracht, mit achtzehn, ein adoptiertes Kind aus Brasilien, du hast keine Ahnung, sie sind mit ihm durch die Hölle gegangen, ist es das, was du willst, unser Leben in eine Hölle verwandeln?
Du erzählst die ganze Zeit von Leuten, die sich umbringen, sagt sie erstaunt, willst du mir diese Idee einreden? Und sofort fängt sie an zu lachen, um ihm zu zeigen, dass sie
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