Fuer den Rest des Lebens
nie aufhören, wie früher im Kinderhaus, wenn die Pflegerin fest schlief und die nächtlichen Wanderungen begannen. Manchmal war es eines der Mädchen, das von Panik ergriffen war, dann wieder ein Junge, kleiner als sie, der Schutz brauchte, oder es waren diese heimlichen Besuche, die auf dem Laken einen zähen Fleck hinterließen, doch der Körper, der sich jetzt an sie schmiegt, ist heiß und knochig, ach, Dini, sie seufzt, wein doch nicht, warum weinst du? Und ihre Tochter klebt an ihr wie eine Brandwunde an der Haut, hilf mir, Mama, er will den Jungen nicht.
Sie wagt nicht zu fragen, was für einen Jungen, so schwach ist ihr Glaube an ihr Gedächtnis und so groß ist ihre Angst, bei ihren Beobachtungen ertappt zu werden, deshalb zieht sie es vor, zu schweigen und sich mit vorsichtigen Fragen zu begnügen, warum will er nicht? Und Dina jammert, er hat gesagt, das wäre verrückt, er will kein Kind, er braucht kein Kind, es geht ihm auch so gut, findest du es verrückt, findest du, dass ich den Verstand verloren habe? Sie schiebt den Arm zu ihrer Tochter. Und wenn er weggeht, fragt sie, glaubst du, dass er mich verlässt? Chemda seufzt wieder, am Schluss gehen alle weg, auch das Kind geht weg, aber das ändert nichts, du bist eine Mutter, du brauchst ein Kind, so einfach ist die Geschichte, denn plötzlich sieht sie ihre Tochter als kleines Mädchen, wie sie ein Baby auf dem Arm hat und von ihr wegrennt, und sie rennt erschrocken hinter ihr her, pass auf, Dini, du wirst Avni noch fallen lassen, du musst seinen Kopf stützen, sie rannte so schnell auf ihren dünnen Beinen, und als sie sie endlich erreichte, riss sie ihr den Kleinen aus den Armen, und das Mädchen ließ nicht los, sie umklammerte die kleinen Beine und schrie, das ist mein Baby, ich bin seine Mama, ich bin seine liebe Mama, und sie stand da, traurig und erschüttert, genau wie jetzt. Du bist eine gute Mutter, sagt sie, es ist eine einfache Geschichte, lass dich von niemandem durcheinanderbringen, eine Mutter braucht ein Kind, wie ruhig das Baby in ihren Armen war, als würde es die Verfolgung genießen. Wohin wolltest du ihn bringen, fragte sie, als sie wieder Luft bekam, und das Mädchen antwortete, in sein Haus, er wollte, dass ich ihn nach Hause bringe, und Chemda fragte, wo ist sein Haus? Und sie antwortete, auf dem Friedhof, im Grab von Großvater.
Doch als er vor seinem Auto steht, an dessen Windschutzscheibe zwei Strafzettel stecken und dessen Dach mit handgroßen Blättern bedeckt ist, fragt er sich, woher diese lächerliche Sicherheit stammt, er würde sie heute Abend sehen, du bist ein verwöhntes Muttersöhnchen, du glaubst noch immer, dass deine Wünsche erfüllt werden, und obwohl in deinem Leben bisher noch nichts passiert ist, was diesen Glauben rechtfertigt, hältst du an der inneren Überzeugung fest, und obwohl diese Überzeugung im Lauf der Jahre immer lächerlicher wurde, hoffst du noch immer, entferne die Blätter von deinem Auto und hoffe weiter, was sollst du auch sonst tun.
Erst jetzt, im violetten Zwielicht, bemerkt er, wie nah sein Auto zum Tor des Trauerhauses steht, fast versperrt es den Zugang, bestimmt hat es Verwunderung und Groll geweckt, er muss es etwas weiter wegfahren, bevor die Bewohner ihn bemerken und sich nach ihm erkundigen, was tut er überhaupt hier, es reicht nicht, dass er niemandem etwas nützt, er schadet sogar, und selbstverständlich kann er ihnen nichts nützen, doch er glaubt noch immer, dass es jemanden gibt, dem er helfen kann, er möchte sich unbedingt für das Geschenk revanchieren, das sie ihm gemacht hat, er möchte sie trösten und weiß nicht wie, denn als er ins Auto steigt, um sich von hier zu entfernen, fährt er den Hang hinauf zum Ende der Straße und bleibt am Rand des Wadis stehen, er weiß, wie gering die Chancen sind, sie irgendwann einmal zu treffen, sicherlich nicht hier, auch wenn er das Grab Tag für Tag bewacht, selbst dann nicht, wenn er an allen Gedenkveranstaltungen teilnimmt. Sie ist zur geheimen Trauer verpflichtet, und er legt den Kopf auf das Lenkrad, all seine Anstrengungen haben ihn bisher nur von dem entfernt, was er im Krankenhaus gesehen hat, seine bürgerliche Auslegung dessen, was sich hinter dem Vorhang abgespielt hat, ist widerlegt. Es war nicht der Abschied eines Paares, das ein Leben in vollkommener und befriedigender Liebe lebte, es waren gestohlene Momente der Liebe, die ihnen den Geschmack des Todes versüßten, doch er hat keine Ahnung, was er von ihnen
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