Fuer den Rest des Lebens
ich dir helfen sollen, wenn ich ein Baby war? Sie zittert, als sie die kalte Stimme hört, sie lässt das Kissen los und bohrt ihre Augen in das dunkle Zimmer, ist Dina gekommen? Hat sie sie mit dem Herzen gehört? Doch warum klingt es so feindselig, wenn sie doch dem Ruf des Herzens gefolgt ist. Seit wann bist du hier, Dini? Sie tastet, versucht, an irgendwelchen Details Halt zu finden, aber ihre Tochter interessiert sich nicht für Details, seit jenem Abend waren ihre Wünsche nicht kompatibel. Ich bin immer hier, Mama, sagt sie, sag bloß nicht, dass du das nicht weißt, und Chemda kichert verlegen, da ist wieder der bittere Ton, mit dem sie Mama sagt, als handle es sich um einen Ehrentitel, den sie nicht verdient. Genau wie die Kinderpflegerinnen verkündet haben, da kommt Dinas Mama, und sie löste sich auf vor den schweren Frauen, die die Babys wie Teigstücke in ihren geübten Händen kneteten, vor Elik, der nur auf eine Gelegenheit wartete, sich über sie zu erheben, ihr zu beweisen, dass er besser war als sie, schließlich lächelte ihn die Kleine an, und sie hörte nicht auf zu lächeln, sie entfernte sich von ihnen, Chemda unternahm lange Ausflüge mit den Schülern, erzählte ihnen die Geschichten vom See, statt sie in Natur- und Heimatkunde zu unterrichten, sie saß stundenlang am Grab ihres Vaters, auf dem kleinen Friedhof, und alle beobachteten sie voller Angst, als wäre sie verrückt geworden, aber sie hatte es ihnen gezeigt, als Avni geboren wurde, sie hat ihnen gezeigt, was echte Mutterliebe ist. Wie leicht war es, den Kleinen auf den Arm zu nehmen, ein kräftiges, dickes männliches Kind nach dem dünnen, leblosen Baby, die Berührung weiblicher Haut hatte schon immer ihren Widerwillen erweckt, es fiel ihr sogar schwer zuzuschauen, wie eine Frau ein Mädchen stillte, sofort wendete sie den Blick ab, als wäre es etwas Ungehöriges.
Und zu denken, dass sie fast auf ihn verzichtet hätte, ihr immer dicker werdender Bauch war ihr so fremd gewesen wie die Kleine, die ihr hinterherlief und ihr die Arme entgegenstreckte, und sie hob sie hoch, als wäre sie es, die sie geschwängert hatte, und alles war ihre Schuld, und es schien, als handle es sich um eine ewig andauernde Schwangerschaft, eine unfruchtbare Schwangerschaft, die nicht durch eine Geburt beendet würde.
Doch ausgerechnet dann passierte es, das Wunder, das sie sich nicht hatte vorstellen können, obwohl es, wie sich herausstellte, das am weitesten verbreitete Wunder der Welt ist, das ihr sogar noch heute Tränen in die Augen treibt, denn nachdem sich ihre Glieder nach den Anstrengungen der Geburt ausgestreckt hatten und sie erschöpft die Augen aufmachte, sah sie ein kräftiges, festes Geschöpf neben sich liegen, mit einem roten Gesicht, das sie mit halb geschlossenen Augen anschaute.
Fasziniert betrachtete sie ihn, Menschen betraten den Raum und verließen ihn, und trotzdem erinnert sie sich nur an ihn, an die Ruhe zwischen ihnen, und obwohl das Gesicht neben ihr nicht strahlend schön war, es war faltig und rot von der Anstrengung, konnte sie den Blick nicht abwenden, und vermutlich empfand er das Gleiche, denn auch seine Augen ließen ihr Gesicht nicht los, schmal und dunkel und süß wie Rosinen schauten sie ihr entgegen, und sie berührte mit einem Finger seine Wange, sie war so schwach, dass sie nur dafür genug Kraft aufbrachte, sie hatte das Gefühl, dass sie ab jetzt vollständig sein würde, und selbst wenn es auf der Welt keine anderen Menschen mehr gäbe, würde sie es nicht merken, denn sie und er füllen die Welt vollkommen aus, und ihre Schwäche verwandelte sich in eine ungeheure Kraft. Bei Dinas Geburt hatte sich ihre Schwäche vervielfacht, während sie neben ihrem neuen Baby das Gefühl hatte, als gäbe es nichts, was sie nicht tun könnte, plötzlich war ihr alles möglich, nicht für die Menschheit an sich, sondern für dieses kleine Geschöpf, das sie nun zu versorgen hatte.
Und plötzlich erschrickt sie, weiß nicht, ob sie ihre Erinnerungen laut ausgesprochen hat, ob ihre Tochter, die in der Dunkelheit schweigend im Sessel sitzt, sie vielleicht gehört hat, jahrelang hat sie es abgestritten, als handle es sich um eine geheime Liebesaffäre, du liebst ihn mehr, du hast ihn immer mehr geliebt, hatte ihre Tochter ihr schon als junges Mädchen vorgeworfen, und sie hatte es immer geleugnet und versucht, sie in den Arm zu nehmen, doch nie konnte sie das leichte Zurückweichen angesichts des heranwachsenden
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