Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
abdecken.
Immer wenn ihn etwas sehr beschäftigte, gelang es ihm, sich bei seinen Übungen mit dem Revolver zu entspannen. Er war dann fokussiert und blendete alles andere einfach aus.
Diesmal war es nicht so. Die ganze Zeit über hatte er an Lilith gedacht und er zählte insgeheim die Minuten, bis er sie wiedersehen würde.
10
Es war Zeit, zum Taekwondo-Training zu gehen, dem letzten vor der Gurt-Prüfung. Ich war sehr erleichtert mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bei Taekwondo war alles einfach. Es kam lediglich auf eine gute Bewegung, ein geschicktes Ausweichmanöver, einen sauberen Tritt an. Keine Zweifel, keine Unsicherheiten.
Ich stand mit meinem weißen Tobok am Eingang der Halle, verbeugte mich, ging hinein und machte ein paar Dehnungsübungen. Dann wartete ich mit den Anderen auf unseren Trainer. Heute waren wir vollzählig. Selbst Silke und Petra waren gekommen.
Ich mochte die beiden nicht allzu sehr. Sie waren mir zu oberflächlich und gingen mir mit ihrem ständigen Gezicke auf die Nerven. Silke war die Ältere und allem Anschein nach auch diejenige, die bei den beiden den Ton angab.
Die Zwei kamen nur sporadisch und hielten dadurch die Gruppe auf. Außerdem erschienen sie immer gestylt, als gingen sie auf eine Singleparty.
Unser Trainer verspätete sich. Wir übten bis zu seinem Eintreffen ein paar Grundformen.
Und dann kam er.
Er betrat die Halle durch den Geräteraum und ich hörte Silke und Petra aufgeregt miteinander tuscheln. Neugierig drehte ich mich um. Mich traf fast der Schlag, als ich anstelle unseres Trainers Johannes erblickte. Er ging an die Kopfseite der Gruppe und lächelte mir im Vorbeigehen zu.
Er musterte uns kurz. „Hallo, ich bin Johannes. Andreas, euer Trainer, hat sich leider eine Sommergrippe eingefangen. Deshalb übernehme ich heute für ihn. Ich weiß, das ist schwierig, weil ihr nächste Woche Prüfung habt. Wir werden einfach alle unser Bestes geben.“
Nach einer erneuten Aufwärmphase gingen wir in die Kleingruppen und übten unsere Figuren und Techniken. Johannes ging unermüdlich umher, blieb bei jedem Paar stehen und korrigierte, motivierte und lobte. Gelegentlich machte er einer Kleingruppe den Bewegungsablauf nochmals vor.
Ich hatte große Probleme, nicht auf ihn zu achten. Eigentlich konnte ich meine Augen nicht von ihm wenden und mein Herz klopfte schneller, jedes Mal, wenn er nur in meine Nähe kam. Aber ich wollte ihm beweisen, dass ich Taekwondo ernst nahm und es für mich mehr war, als ein reiner Zeitvertreib. Ich riss mich also zusammen, ging meine Übungen intensiver als sonst an und führte meine Tritte und Sprünge aus, dass es meinem Partner himmelangst wurde.
Dann stand Johannes neben mir. Gut, dass ich in dem Moment durch das Training bereits außer Atem war. Fachmännisch begutachtete er meine Technik, lächelte mir wieder zu und meinte: „Prima, aber pass ein bisschen mehr auf deinen Partner auf. Wir wollen doch keinen Notarzt holen müssen.“
Ich fand das ziemlich witzig, aber Silke und Petra wohl nicht, denn sie gaben sich gegenseitig abfällige Zeichen, während sie zu mir herüber sahen.
Wir übten weiter, bis unvermittelt ein kleiner Schmerzensschrei erklang. Silke saß am Boden und hielt sich ihren Knöchel. Dabei rief sie nach Johannes. Offenbar hatte Petra einen Tritt von ihr falsch abgeblockt und sie dabei getroffen. Derartige Unfälle passierten häufiger, wir betrieben eben einen Kampfsport, da musste man auch wegstecken können.
Johannes eilte zu Silke, die sich von ihm aufhelfen ließ und sich dabei eng an ihn klammerte. Viel zu eng. Das machte mich rasend vor Wut, denn ich war mir nicht sicher, ob er bemerken würde, was Silke in Wirklichkeit abzog.
Johannes stellte Silke behutsam auf die Beine, doch dann schob er sie von sich weg. Dabei hielt er ständig Augenkontakt mit ihr. Silke wurde mit einem Schlag knallrot, senkte ihren Kopf und biss sich auf die Lippen.
Petra rettete sie aus dieser peinlichen Situation. Sie führte sie zu einer Bank, die am Hallenrand stand. Dort versorgte sie ihre Freundin mit Trinkwasser. Erneut sahen sie zu mir hinüber und diesmal waren ihre Blicke richtiggehend hasserfüllt.
Ich zuckte innerlich mit den Schultern. Insgeheim war ich sehr zufrieden, wie Johannes mit der Situation umgegangen war. Und was die beiden über mich dachten, war mir ohnehin vollkommen gleichgültig.
Nach ein paar weiteren Trainingseinheiten war unsere Stunde zu Ende. Johannes ließ uns wieder
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