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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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der Menschen, Gorbatschow erkämpfte sich die Macht zurück, kurz darauf wurde die Sowjetunion aufgelöst. Ich wurde aus der Zelle gerufen, die Fesseln wurden mir abgenommen.
    Das Erste, was ich tat, als ich meine Bewegungsfreiheit wiederhatte, ich schrubbte auf allen vieren den Boden. Für den Putzlappen riss ich eine alte Hose in zwei Streifen, zischend schrubbte ich damit vor und wieder zurück, wiederholte das mehrere Male, bis man sich auf dem Boden in unserem Innenhof und in unserer Zelle spiegeln konnte. Der wahnsinnige Arbeitseifer, den ich an den Tag legte, verbrühte den ein oder anderen, vor allem einen Todeskandidaten, der so vernarrt war in das Schlafen auf dem feuchten Boden: »Du hast den Boden ganz heiß geschrubbt«, sperrte er sich, »ich muss ihn ein wenig mit Wasser besprengen.«
    »Wage es!«, sagte ich und schwenkte die Faust.
    Er schöpfte Wasser und sprengte es auf den Boden, ich kickte ihm seinen Napf in die Luft.
    »Wenn du dich mit einem Toten anlegst, legst du dich mit der ganzen Zelle an!«, warnte mich Wen Zhi.
    »Und hinter den Toten stehst du!«, brüllte ich, »wenn du den Schneid dazu hast, dann zeig es.«
    »Du bist ganz schön überempfindlich.« Wen Zhi lachte.
    Ich habe mir dieses Lachen nicht zu Herzen genommen, woraufhin an diesem Abend der Diener Wen Zhis mit dem großen Schwanz meine Schlafstelle okkupiert hat. Die Meute saß auf den Bergen und schaute dem Hahnenkampf zu, der Kerl, der sonst ängstlich war wie eine Maus, rief jetzt mit weit aufgerissenem Maul und hocherhobener Brust unter dem Qietschen der Ventilatoren immer wieder »Hach, wie bequem! Hach, wie bequem!«. Ich bat ihn höflich aufzustehen.
    »Das ist meine Schlafstelle!«, sagte er ungehobelt.
    »Und wo soll dann meine sein?«
    »Neben dem Klo.«
    Ich schäumte, riss ihm das Kopfkissen weg und warf es gegen die Gittertür. Er kletterte vom Kang und holte es zurück. Ich warf es erneut. Auf diese Weise kam ich mit Leichtigkeit in mein Bett – im oberen Stockwerk legte ein Wachsoldat geräuschvoll das Gewehr ins Schloss, und als das Gitter aufging, fiel mein Herz mit meiner in der Luft schwebenden Faust in einen Abgrund.
    Regierung Tong und der Wachhabende Li mit dem großen Bart standen, jeder einen funkensprühenden großen Elektroknüppel in der Hand, erwartungsvoll in der Zellentür, hinter ihnen drängte sich ein ganzer Haufen von Rotfellen in ihren blauen Klamotten. Der Großschwanz und ich gehorchten den Befehlen, kamen aus der Zelle und gingen am Rand der Treppe in die Hocke. Im Säuseln des kühlen Windes durften sie uns maßregeln. Der Großschwanz schrie sofort etwas von Unrecht, aber der Polizeiknüppel von Regierung Tong ging bereits auf seinen Kopf nieder. Diese aufgeblasene Kröte platzte auf und schrie markerschütternd.
    Regierung Tong trat in den Raum und rief durch das Gitter Wen Zhi zu sich und untersuchte den Fall. Der Großbart Li hob den Elektroknüppel und brannte mir eins über, der knisternd kreisende Lichtbogen zog sich in die Länge und durchschlug wie ein Zahnrad die Kopfhaut, riss die Nerven heraus und rüttelte das Gehirn durcheinander.
    Instinktiv verbarg ich meinen Kopf, schützte die Ohren mit den Knien, der Strom zog vom Nacken direkt in die Fußsohlen, unwillkürlich fing mein ganzer Körper an zu zittern.
    »Was ist denn los?« Dieser Li malträtierte mich weiter.
    Meine Zunge war stocksteif.
    Ich sprang auf, ein Feuerstäbchen brachte den Frosch zum Springen. Ich streckte die Hand aus und packte den Elektroknüppel, aber sofort umklammerten die Rotfelle mir Arme und Beine. Schließlich wurde ich das Gesäß nach oben zu Boden gedrückt, ich fraß ein großes Maul voll Dreck. Es war nicht wie in meinen Träumen, ich konnte in keiner Erdspalte verschwinden.
    Ein Arm stützte mich, schwankend machte ich Regierung Tong aus. Melancholisch drehte er mir beide Arme auf den Rücken und legte mir Handschellen an. Zur gleichen Zeit ging der Großschwanz frei und auf eigenen Füßen in die Zelle.
    Aus den Gefängniszellen brach blendendes Licht wie aus einem weit aufgerissenen Löwenmaul, ich lag neben dem Maul auf dem Bauch und würde auf den Tod nicht da hineingehen. Die Meute da drinnen leckte sich die unordentlichen spitzen Zähne, mit denen sie mich zu demütigen und zu fressen gedachte.
    »Hinein mit dir, morgen sehen wir weiter!«, mahnte Regierung Tong.
    »Nein!«, ich stellte auf stur. Elektroknüppel gingen auf mich nieder. Es mussten zwei oder drei sein, in der Verwirrung

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