Für ein Lied und hundert Lieder
des Elektrobogens bekam ich einen Krampf, der Himmel war voller Sterne wie ein aus scharfen Messern gestricktes Netz, das meinen Kopf unter sich begrub, die Messerspitzen brachten mir überall Stiche bei.
»Na, du bist doch ein Eisenschädel!«, sagte Li, der Großbart, wütend warf er den Elektroknüppel weg, spreizte beide Hände und schlug abwechselnd zu. Ich brummte benommen, sprang dann auf und fing an zu laufen. Die Rotfelle fingen laut an zu lachen, wieder wurde ich mit vereinten Kräften eingefangen und bekam meine Strafe.
Wenn die Elektroknüppel keinen Saft mehr hatten, wurden sie gegen ein paar neue ausgetauscht, am Ende wurde ich losgemacht, ich stemmte mich hoch, war aber völlig ohne Orientierung.
»Die Tür ist da«, sagte jemand.
»Immer noch keine Einsicht?« Das musste die Stimme von Regierung Tong sein.
»Nein.«
An diesem Punkt konnte ich nichts anderes sagen als nein. Ich war schon als Kind ausgesprochen stur gewesen, als ich drei war, hatte ich ein Hungerödem, und es sah aus, als gäbe es keine Rettung. Ein alter Arzt der chinesischen Medizin hatte ein Rezept: »Pampelmusenschalen in einem großen Topf mit Wasser erhitzen, wenn es kocht, soll der Kranke sich quer über die Dämpfe legen. Das dreimal täglich.« Ein halbes Jahr lang schrie ich nach Papa und Mama, aber meine Seele in ihrer Sturheit ist am Ende von den Pforten der Hölle zurückgekehrt in ihren Körper.
Was einen Dichter angeht, so können harte Strafen die Krankheit seiner überbordenden Phantasie heilen. Alle geistigen und seelischen Krankheiten haben ihre Wurzel im Körperlichen. Und erst wenn das Fleisch leidet, wird der Geist wie ein erschreckter Gefangener da drin immer auf den Beinen sein, um konspirative Kontakte zu knüpfen, und wird die Haltung eines Philosophen finden, der sich das Hirn zermartert und doch keinen Ausweg findet.
Ich lehnte schief am Eisengitter, es war vollkommen still. Ich begriff nicht, warum ein Mensch all diese Qualen erdulden musste. Ein Todeskandidat saß mir gegenüber, seine Augen waren böse, als sei er meine andere Hälfte. Das war eine Szene aus dem »Liaozhai Zhiyi« [41] : Ein frisch in die Hölle hinabgestiegener Teufel wurde von den alten Teufeln vom Kopf abwärts in zwei Hälften gesägt und dann mit einem Seil an den Hüften zusammengebunden.
Die Gesellschaft schuf sich selbst ihre Feinde, um sich dann selbst wieder zu festigen, indem sie ihre Feinde bestrafte und damit die schweigende Mehrheit in Schach hielt.
Fatalismus?
Hass?
Oder irgendwelche surrealistischen Zustände, um sich allem gegenüber auch in ungewöhnlichen Situationen eine gesunde Urteilskraft zu bewahren?
Diese Frage habe ich mir oft gestellt, aber ich glaube, diese drei Möglichkeiten stehen einem Dichter nicht zur Verfügung.
Zelle 5
Am nächsten Vormittag informierte mich Regierung Tong, dass ich in eine andere Zelle komme.
»Der Wechsel in eine neue Umgebung wird dir guttun!«
Er schloss meine Handschellen auf dem Rücken auf und befahl besorgt: »Wasch dir das Gesicht, zieh dir was Vernünftiges an, und dann vergessen wir mal, was war.«
Die Trauer, die in mir aufstieg, unterdrückte ich mit aller Macht.
»Das sind deine Briefe, nimm sie mit! Du bekommst die meisten Briefe im ganzen Gefängnis, überleg doch mal, wie die Menschen draußen sich um dich sorgen, und komm ein wenig zur Ruhe.«
Die Sonne spie Feuer, die Moose auf der Mauer verbrannten zu Rollen, die aussahen wie Hautflechten. Ich klammerte mich an meinen Koffer, unter der Begleitung von Regierung Tong ging es an vier großen schwarzen Türen vorbei hinunter, Schweiß tropfte mir von der Nasenspitze, und doch war ich in einer selten aufgeräumten Stimmung. Vor der fünften Zellentür befahl mir Regierung Tong stehen zu bleiben. Mit einem Ruck zog er die Tür auf und sagte: »Das ist dein neues Zuhause.«
Durch den Vorhof schob ich mich zögernd in die Innenzelle, ein Schwung von kahlen Kürbissen stand zu meiner Begrüßung bereit. Mein Koffer wurde von einem kleinen Kerl mit großen Augen entgegengenommen und auf das hintere Ende des Kangs gestellt.
»Ich heiße Chen Dejian, Konterrevolution«, sagte er stolz.
»Wir nennen ihn Vorsitzender Chen«, sagte ein kleiner, magerer und gewandter Schwarzer Teufel im Scherz.
»Wir haben von Regierung Tong gehört, dass du ein Dichter bist?!«, sagte der Vorsitzende Chen, »ach Gott, ja, der Gerechte muss viel leiden.«
Da fiel mir ein Todeskandidat auf, der mit untergeschlagenen Beinen auf
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