Für ein Lied und hundert Lieder
keiner mehr so recht wusste, was er tun sollte. Und als wieder Parolen laut wurden, hat dieser Vater des Volkes sofort heftig applaudiert und weiter geschleimt: »Die Szenen heute haben mich sehr betroffen gemacht, ganz wie der große Vorsitzende Mao gesagt hat, revolutionäre Situationen sind kein kleines, auch kein relatives, sie sind ein großes Gut, weil die Volksmassen in ihrer Gesamtheit in Bewegung kommen. Profitwirtschaft und Korruption müssen ausgemerzt werden, nicht wahr? Aber bei über einer Milliarde Menschen … wenn da einer Wasser lässt, können auch ein paar Motten untergehen. Ihr solltet euch keine Sorgen machen, unsere Partei ist weise, durch die Geschichte erprobt, wenn ein Fehler passiert, muss er korrigiert werden! Aber damit es der Sache des Sozialismus auch später nicht an Anhängern fehlt, flehe ich euch an, achtet auf eure Gesundheit! Ihr habt die ganze Nacht nicht geschlafen, ihr habt schon über zehn Stunden nichts mehr gegessen und getrunken, wie sollte uns Beamten, die wir doch Väter und Mütter des Volkes sind, nicht das Herz weh tun?! Kommilitonen, Ruhe bitte! Die Kollegen in der Kantine der Bezirksverwaltung haben Tag und Nacht gekämpft, um für euch ein Mittagessen vorzubereiten, mit einem Studentenausweis könnt ihr ein Mantou und eine Schale Gemüsesuppe bekommen, und wenn ihr dann etwas im Bauch habt, dann geht ihr für eine Weile nach Hause und denkt über eure nächsten revolutionären Schritte nach, in Ordnung?«
Der Alte fand seine Rede ausgezeichnet und begann gewohnheitsmäßig als Erster zu klatschen. Als er sah, dass niemand Folge leistete, täuschte er mit Lärm Macht vor und appellierte an alle: »Kommt alle mit, ab in die Kantine!« Daraufhin teilte er unter Aufbietung aller Kräfte die Menge und schob als Märtyrer der gerechten Sache seinen beträchtlichen Bauch über den Platz. Unter den Leuten erhob sich ein Raunen, Essen ist des Volkes Himmel, die Studentenvertreter konnten die Zeit nicht zurückdrehen, sie konnten nur in dem, was übrig war, deprimiert untergehen.
Die mächtige Studentenrevolte unserer Bergstadt wurde von den Konterrevolutionären Mantou und Gemüsesuppe in Stücke gerissen. Der ehemalige Attachéstellvertreter war glatter als jeder Aal, er steckte den Kopf in die Gemeinschaftsküche, griff sich hastig einen beutelgroßen Mantou und machte sich durch die Hintertür aus dem Staub.
Lenin sagt: »Die Revolution ist das Fest der arbeitenden Bevölkerung.« Fuling, das nur am Rande des Sturms lag, war da keine Ausnahme, an jeder größeren Straßenecke wurde eine Spendenbox zur Unterstützung der Studenten im Hungerstreik aufgestellt, und es gab eine unzählige Menge von freigebigen Menschen.
Eine alte Frau, die vom Sammeln von Trödel lebte, kam verstohlen vorbei. Sie zog ein weißes Taschentuch aus dem Kittel, wickelte einen Stapel zerknitterter Geldscheine heraus und stopfte ihn in die Holzbox. Der Student, der auf die Box aufpasste, konnte das nicht annehmen, er hielt sie fest und wollte auf keinen Fall Geld von ihr nehmen, es gab ein regelrechtes Tauziehen, was eine ganze Menge Zuschauer anlockte, die sich über das Ganze gutmütig lustig machten. Die Alte wurde ärgerlich und setzte sich laut jammernd auf den Boden: »Ist das Geld einer alten Frau etwa nichts wert?« Den Umstehenden wurde es ganz anders.
Versammlungen, Demonstrationen, Spendensammlungen, alle möglichen Bewegungen flammten auf und ebbten wieder ab, die Revolution drang von Tag zu Tag tiefer in die Herzen der Menschen. Regionalradio und -fernsehen eilten herbei und schlossen sich dem Trubel an, ständig nickten mir fremde Gesichter zu, und ich grüßte zurück. Selbst die Diebe hatten von den Großstädten gelernt und klebten »Bekanntmachungen zur Beruhigung der Bevölkerung«, man werde jede Form von Raub und Diebstahl für die kommende Zeit aussetzen – was sich mit den Flugblättern der Ortsgruppe der Unabhängigen Liga der Universitätsstudenten, auf denen die Interna über die Korruption wichtiger Mitglieder des Zentralkomitees, der Vetternwirtschaft und der Auslandskonten der Kinder hoher Kader enthüllt wurden, sehr vorteilhaft ergänzte.
Und da die Studentenrevolte mittlerweile Thema Nummer eins war, schaute am laufenden Band jemand bei der Einheit dieser Ortsgruppe vorbei. Die Leute ließen ihre Fernseher zu Hause stehen und machten sich zu Kollegen auf, ganz gleich, wie viel Uhr es war oder was für ein Gesicht der Hausherr machte, selbst um Mitternacht
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