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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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den Kopf und lächelte mich an. Aus dem etwas aufgesetzten Lächeln las ich die erbärmliche Basishoffnung der Frauen: in Frieden leben, Kinder kriegen und keinen unüberlegten Schritt nach draußen.
    Ich konnte nichts dafür, es machte mich fertig. Ja, A Xia war noch A Xia, sie hatte sich nicht verändert, die Welt hatte sich verändert. Wir mussten Geduld haben, wir mussten warten, bis alles wieder ein bisschen besser wurde.
    Vor dem Fenster wirbelte der Schnee, A Xia hustete, ich studierte die Straßenkarte. Es klopfte, es war Li Yawei, der Herumtreiber, er zitterte wie Espenlaub.
    »Schön warm habt ihr es hier«, lobte er. Als er drei Schnäpse im Bauch hatte, fing er auf eine in die Länge gezogene Melodie, wie sie einem die Herren Lehrer in den ländlichen Gebieten beibringen, einen Sprechgesang an, es war ein neuer Text.
    Es war der Winter einer ruhigen und ausweglosen Liebe, und A Xia wurde mit Miaomiao schwanger.
    Und jetzt sitzt meine Verlobte Song Yu neben mir, noch anderthalb Jahre, und ich muss ein paar Zehntausender verdienen für die Hochzeit und die Wohnung. Keine Ahnung, wie sie reagieren wird, wenn sie irgendwann einmal dieses Buch liest. Das Leben vollzieht sich in seltsamen Kreisen und kommt auf Umwegen immer wieder zum Ausgangspunkt zurück, und doch bringt die Zeit große Veränderungen.
    Zhou Zhongling rief an, er meinte, er werde Ende des Monats nach Chengdu kommen und es wäre schön, wenn ich ihm etwas auf der Flöte vorspielen könnte. Ich war süchtig nach Auftritten, es gibt ein paar Jugendfotos von mir und Zhongzhong, wie wir ihn damals nannten, auf allen Bildern schauen wir einander genauso verliebt an wie Marx und Engels – nur leider haben wir uns nie zusammengetan und eine Theorie formuliert.
    Ich kenne den guten Zhongzhong zu gut, über Zeug, das ich zu gut kenne, kann ich nicht schreiben. Ich bin als richtiger Hundenarr bekannt, aber über meine Hundedame Yuzui kann ich auch nicht schreiben. Es ist schon sehr ungewöhnlich, wie gut sie mich kennt: Sie braucht nur meine Schritte in der Tür zu hören, schon fängt sie an zu zittern und will unbedingt in meine Arme. Wenn sie sich zu sehr aufregt, verliert sie die Kontrolle über sich und lässt es laufen, mit Vorliebe auf den Schoß ihres Herrchens. Zhongzhong hatte auch einen Hund, einen Rüden, ein sehr unbeständiger Bursche in Liebesdingen.
    Yuzui betet nicht nur mich an, sondern auch Song Yu, am liebsten steckt sie ihre Schnauze jaulend zwischen uns. Song Yu fragt immer wieder: »Wenn wir einmal eine Familie sein werden, wird dann dieser Hund auch noch da sein?«
    Gott sei Dank lässt mir der Himmel dieses bisschen einfaches Leben!
     
    Nach dem alten Kalender am Vorabend des letzten Tages 1990 kamen Li Yawei, Li Mai, Liang Yue und Liu Li Taiheng mit seiner Frau zu uns, früh war, wie es sich gehört, die Fest- und Gelagetafel gedeckt, aber Li Mai und Li Yawei bestanden darauf, noch zwanzig Flaschen billigen Gaoliang-Schnaps zu kaufen, sie wollten um ihr Leben trinken. Zwischen der fünften und der sechsten Flasche gab Li Yawei einen tiefen Seufzer von sich: »Scheiße! Ich habe das Herumtreiben satt, ich sollte eine Familie gründen!«
    Liu Taiheng legte voller Mitgefühl ein Gelübde ab: »Nach Neujahr, mein lieber Li, haben Zeng Lei und ich vor, einen Film über Gedichte zu drehen, da wird es von Schauspielerinnen wimmeln, wenn es so weit ist, mache ich den Heiratsvermittler für dich.«
    »Ich will auch Theater spielen, ich bin ganz verrückt auf Theater!« Yawei brannte es unter den Nägeln.
    »Warum ist eigentlich Zeng Lei nicht hier?«, fragte ich.
    »Er bereitet gerade einen Lehrfilm vor«, sagte Taiheng, »er lässt ausrichten, du sollst dafür möglichst bald zur Verfügung stehen!«
    »Sind die Gedichte von unserem Bartgesicht denn fertig?«, fragte Yawei.
    »Am besten schreibst du ein paar neue und änderst deinen Stil ein bisschen«, sagte Taiheng.
    »Ich fürchte, das kann ich nicht, ich habe schon über ein halbes Jahr kein Gedicht mehr geschrieben, ich bin aus der Übung.«
    »Du hast nach dem ›Massaker‹ nichts mehr geschrieben?«
    »Ich bin nicht in Stimmung für Gedichte.«
    »Na, dann nimmst du eben ein paar alte«, meinte Taiheng resigniert, aber dann wurde er doch nervös: »Alte! Alte, alte! Scheiße, der Mensch ist auch alt, der Himmel ist alt! Als das Blut auf den Straßen geronnen ist und es auf die Fotos kam, sahen es die Leute mit alten Augen, das neue ist älter als das Alte!«
    »Was ist denn

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