Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
Vom Netzwerk:
helfen, um in der Hauptfrage einen Durchbruch zu erreichen! Denn das Ganze hatte für die Wärter etwas mit Prämien und Beförderungen zu tun.
    Daraufhin verwandelten sich die Zellen zur Kampffront, Gebrüll zum Töten erklang wie Ebbe und Flut, aus den alten Zhaos wurden oberste Richter, Herren über Leben und Tod. Er hielt das Material über die Anzeigen und die freizügigen Geständnisse in Händen, er befahl den Mördern, Gerichte auszuwählen, anzurichten und mit allen möglichen körperlichen Strafen Geständnisse zu erpressen.
    In meiner Zelle hielt ein Felldieb den Bärentatzen-Tofu nicht aus und gestand wahllos, er habe in einem alten Grab einen riesigen Schatz aus Juwelen und Jade versteckt. Der Direktor des Untersuchungsgefängnisses nahm das hundert Prozent ernst, machte noch in derselben Nacht Meldung, organisierte Polizeikräfte, packte den Kerl gefesselt und geknebelt in einen Wagen, raste über 150 Kilometer durch die Gegend, und stand am Ende, natürlich, vor lauter Nichts.
    Die Augen der Polizisten und ihrer Hunde sprühten Feuer, der Kerl wurde ins Untersuchungsgefängnis zurückgetreten, ihm quoll das Blut aus dem Mund, aber er klammerte sich am Bein eines der Kampagnenbeauftragten fest, als ginge es um sein Leben, nur nicht zurück in die Zelle. Ein paar Rotfelle aus der Umerziehung durch Arbeit zwangen ihm die Hände auf und brachen ihm dabei zwei Finger.
    Seine Augen waren ausdruckslos, und er machte in die Hose. Die Mörder stürzten auf ihn zu, um ihn zu stützen; sie brauchten zwei Stunden, bis sie aus ihm ein bisschen Mühlentofu herausgeschmirgelt hatten. Der waghalsige Betrüger wurde von den pulsierenden Zahnschmerzen in Stücke gerissen, er wurde dürr wie ein Holzscheit, und nach gut einem Monat waren ihm sämtliche Zähne ausgefallen.
    Ein gewisser Ren war der Vorsitzende der Werkshallengewerkschaft eines großen Rüstungsunternehmens gewesen, bei ihm bestand Verdacht auf Diebstahl, deshalb war er im Untersuchungsgefängnis. Ein von Natur aus sturer Mensch, aus dem die Untersuchungsbeamten weder auf die weiche noch auf die harte Tour ein Geständnis herausholen konnten; die schwere Bürde der »freizügigen Geständnisse und Anzeigen« fiel daher auf unsere Gruppe. Da ich mich entschieden geweigert hatte, als Sekretariatsangestellter zu arbeiten, machte Doppelkreuzung selbst den Untersuchungsleiter und den Protokollanten in Personalunion. Das Essen wurde schon einen ganzen Vormittag lang angerichtet, aber der Fall war noch kein Haarbreit weitergekommen. Nach dem Essen hatte Doppelkreuzung es eilig und drückte diesem Ren eigenhändig den Kopf in den Latrinenkübel, damit er sich dort »die Goldfische betrachtet«. Zur allgemeinen Überraschung wurde Rens Körper auf einmal ganz schlaff – der Kerl war, den Kopf voll in der Scheiße, einfach in einen verfrühten Mittagsschlaf gefallen! Doppelkreuzung tobte, befahl, ihn da herauszuziehen und mit ausgestreckten Armen und gegen die Wand gelehnt eine Runde »Motorrad fahren« zu lassen.
    Nachmittags wollten die Oberen ihren Spaß haben, also zwangen sie Ren, die Fernsehreklame für einen Schnaps aus Sichuan nachzusingen: »… Chang’e [31] kommt auf die Welt/will mit mir singen, was gefällt/du ein Glas und ich ein Glas/Gesicht voll Abendrot und Spaß …«
    Beim Singen riss Ren das Maul weit auf, es sah aus wie ein Blutbecken, wobei die Rechte mechanisch den Takt schlug.
    »Hätte gar nicht gedacht, dass wir in der Zelle noch einmal einen Musiker haben würden«, Doppelkreuzung amüsierte sich prächtig, »Konterrevolution hier ist Dichter … ab heute arbeitet ihr beiden zusammen, dann ist hier endlich mal was los!«
    »Sein Gesicht zeigt noch nicht genug Ausdruck«, sagte Huang Gang, »so ein Sauflied muss gegen Ende immer fröhlicher werden.«
    Ren blinzelte und rang sich ein Lachen ab, er sah aus wie ein Teufel mit grünem Gesicht und langen Fangzähnen.
    Als er sein Solo beendet hatte, dirigierte Ren auf Anweisung den Chor des Diebesgesindels. Die Oberen johlten und klatschten Beifall, Doppelkreuzung nahm ein paar Fischhauterdnüsse und rief anerkennend: »Hej, Musiker, komm her, ich habe eine Belohnung für dich!«
    Ren verbeugte sich und trat näher.
    »Knie nieder!«
    Doppelkreuzung zog seine Pantoffel aus und hat ihm rechts und links einen Satz heiße Ohren verpasst, aber Ren wackelte nicht einmal mit dem Kopf.
    »Der Kerl ist ein Roboter!«, schnaufte Doppelkreuzung, »kommt her, zieht ihm die Hose aus, wollen doch mal

Weitere Kostenlose Bücher