Fuer eine Nacht und fuer immer
Er mischte sich nicht ins Tagesgeschäft ein, war aber oft in der Ferienanlage, kannte die Angestellten, besuchte die Veranstaltungen und sah nach dem Rechten.
Sein eigenes Haus war sein Rückzugsort, den er mit hohen Mauern und Sicherheitssystem schützte. Hier empfing er keine Gäste; Frauen brachte er grundsätzlich nie hierher. Nicht nach Angelica. Wenn er weibliche Gesellschaft haben wollte, während er auf den Fidschis war, dann ging er in eine andere Hotelanlage, und zwar möglichst auf einer anderen Insel.
Nachdem sie angehalten hatte, stieg Nic aus. Malakai stellte den Wagen unter und trug Nic das Gepäck hinterher – er sah das als Teil seines Jobs an und bestand darauf, es zu tun.
Üppiges Blattwerk und farbenprächtige Blüten säumten den Weg zum Haus. Nic bemerkte ein paar Hibiskusbüsche, die erst kürzlich gepflanzt worden waren, und eine Schnitzerei in der Tradition Fidschis. Sicher hatte Tenika sie aufgestellt.
Während der folgenden Stunden tauschte er sich bei ein paar Getränken mit Malakai und Tenika aus und bewunderte den Gemüsegarten, den sie in seiner Abwesenheit angelegt hatten.
Später, nachdem er eine Runde geschwommen war und geduscht hatte, schaltete er seinen Computer ein. Über der Bucht brach bereits die Dämmerung herein. Durchs Fenster wehte der Geruch von Kerosinfackeln herüber. Gesang und Trommelklänge waren zu hören. Gerade war die Aufführung des traditionellen Meke – Tanzes im Resort in vollem Gange. Nic lehnte sich zurück und betrachtete zufrieden die utopische Welt, die er erschaffen hatte, und die ihn auf fünf riesigen Bildschirmen umgab.
Utopian Twilight war sein erster großer Erfolg nach dem Vorfall mit Angelica. Drei Jahre hatten die Gerichtsverhandlungen gedauert, um die Rechte an seinen früheren Werken, die sie zusammen mit ihrem Liebhaber plagiiert hatte, zurückzubekommen.
Ein paar Jahre später war Chameleon Twilight herausgekommen, und nun stand der letzte Teil der Trilogie, Chameleon Council , kurz vor der Fertigstellung. Eigentlich hätte er eine Pause gebraucht, um seine Kreativität anzukurbeln, aber die Online-Spieler warteten ungeduldig auf die neuesten Abenteuer von Onyx One. Also … Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. Sollte er vielleicht eine Liebesgeschichte einbauen, um die weiblichen Spieler bei der Stange zu halten?
Vom Fenster seines Arbeitszimmers im ersten Stock aus konnte er die Luxusbungalows des Resorts sehen. Vielleicht würde seine in letzter Minute eingebaute Heldin eine Frau mit einer geheimnisvollen Vergangenheit und einer sonderbaren Vorliebe für personalisierte Accessoires sein …
Nach dem Einchecken hatte Charlotte auf dem Zimmer zu Abend gegessen und war früh zu Bett gegangen. Ihren ersten Urlaubstag hatte sie mit einem Buch an ihrem Pool verbracht. Die warme Tropenluft auf ihrer winterblassen Haut, der Blick auf den Pazifik und der freundliche Zimmerservice hatten ihr den Tag versüßt.
Dass sie nicht hinausgegangen war, lag daran, dass sie Zeit für sich allein brauchte – und nicht etwa daran, dass sie Angst hatte, Nic zu begegnen.
Sie dachte überhaupt nicht an ihn. Und sie sah sich auch nicht den Fünfzigdollarschein in ihrer Tasche an.
Er erinnerte sie daran, dass er irgendwo hier war. Jederzeit verfügbar. Sie brauchte nur anzurufen.
Am zweiten Morgen stand sie um sechs Uhr auf. Sie würde sich in ihrem kostbaren ersten Urlaub seit zwei Jahren nicht von Nic vorschreiben lassen, was sie tat oder ließ. Warum sollte sie sich hier wie eine Gefangene fühlen, wo doch die laue Luft förmlich zu einem Morgenspaziergang einlud?
Also frühstückte sie rasch, zog eine enge weiße Hose und ein blassrosa T-Shirt an, steckte ihre Zeichensachen ein, setzte ihren Sonnenhut auf und machte sich auf den Weg.
Sie fühlte sich frei und entspannt. Die warme, duftende Luft liebkoste ihre Haut, als sie den gewundenen, pflanzengesäumten Weg entlangging. In der Ferne hörte sie Planschen und Gelächter und sanftes Meeresrauschen. Es klang nach Spaß.
Doch heute wollte sie allein und ungestört sein. Sie ging auf eine Gruppe knorriger Kasuarinen und Schraubenpalmen zu.
Vor drei Wochen hatte sie das Weingut ihrer Eltern verkauft. Es war ein Familienunternehmen gewesen; sie hatte die Büroarbeiten erledigt. Die neuen Besitzer hatten ihr angeboten zu bleiben, doch sie wollte nicht mit Fremden zusammenarbeiten, die das Weingut womöglich ganz anders führten, als ihre Familie es seit Generationen getan
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