Für eine Nacht
Atem aus. »Falls Sie nicht wissen, wie Sloane aussieht ... ich habe hier ein Foto von ihr.« Madeline hielt das Foto hoch, das sie bislang so sorgsam verdeckt gehalten hatte. »Das ist sie.«
Und Chase starrte ungläubig und fassungslos auf das Bild und in die Augen der Frau, die er am Abend zuvor mit zu sich in sein Hotel genommen hatte.
Viertes Kapitel
Zwischen der Hauptstadt der Vereinigten Staaten und Yorkshire Falls lagen Welten, wie Sloane fand. Ein typisches Provinzkaff, dachte sie bei sich. Ihre eigene Heimatstadt war eine wohlhabende Gemeine mit prächtigen Villen und gepflegten Parks. Doch als sie die Hauptstraße mit den kleinen Läden hinunterfuhr und die Menschen betrachtete, die auf dem Bürgersteig standen und ein Schwätzchen hielten, stellte sie fest, dass ihr die friedliche Atmosphäre gefiel. Und jedes Mal, wenn sie an einem älteren Mann vorbeikam, fragte sie sich, ob sie soeben Samson gesehen hatte. Ihren Vater.
Sie hatte Washington D. C. erst vor vierundzwanzig Stunden verlassen, aber ihre Umgebung hatte sich so grundlegend verändert, dass es ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Mit einem flauen Gefühl im Magen parkte sie ihr Auto vor Norman’s Restaurant , das direkt neben Charlottes Attic lag, dem Laden, der jener Frau gehörte, mit der ihre Stiefmutter befreundet war und mit der sie sie hatte bekannt machen wollen. Eine Frau, die wunderschöne Spitzen-BHs und Höschen entwarf. Hätte Sloane es nicht so eilig gehabt, hätte sie jetzt gerne eine Weile in dem Geschäft herumgestöbert. Aber sie war hergekommen, um Samson davor zu warnen, dass er möglicherweise in Gefahr schwebte, und das war im Moment ihr
wichtigstes Anliegen. Entschlossen stieß sie die Tür auf und betrat das Restaurant.
Der Innenraum wurde von Vogelmotiven beherrscht. Kunstvoll geschnitzte Vogelhäuschen hingen von der Decke herab, und die Wände waren mit Fotos und Zeichnungen von Vögeln aller Art bedeckt.
Eine große grauhaarige Frau kam mit einer Speisekarte in der Hand auf sie zu. »Möchten Sie etwas essen?«
»Nein, danke. Eigentlich bin ich nur auf der Suche nach jemandem.« Sloane lächelte. »Und ich dachte mir, am besten fange ich hier mit meiner Suche an.«
»Da haben Sie richtig gedacht, Herzchen. Jeder in dieser Stadt landet früher oder später im Norman’s . Wen suchen Sie denn?«
»Einen Herrn namens Samson Humphrey.« Der Name klang in ihren Ohren immer noch fremdartig.
Zu ihrer Überraschung brach die Frau in schallendes Gelächter aus, dann hielt sie sich rasch die Speisekarte vor den Mund und versuchte erfolglos, einen Hustenanfall vorzutäuschen.
»Was ist denn daran so komisch?«, fragte Sloane missbilligend, deren Unbehagen sich von Minute zu Minute verstärkte.
»Nichts.« Die Frau legte ihr eine Hand auf die Schulter, als wären sie alte Freundinnen. »Gar nichts, Herzchen. Entschuldigen Sie bitte.« Das raue Husten war diesmal echt. Dann wischte sie sich über die Augen. »Es ist nur so, dass man Samson schon alles Mögliche genannt hat, aber als Herrn hat ihn noch niemand bezeichnet.«
Sloane, die nicht wusste, was sie von dieser Bemerkung halten sollte, spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. »Können Sie mir sagen, wo ich ihn finden kann?«
»Kommen Sie erst einmal herein und trinken Sie etwas. Dann erzähle ich Ihnen alles, was ich über Samson weiß. Niemand verlässt das Norman’s mit leerem Magen«, erklärte sie, als sie Sloane auf die Drehstühle vor der Theke zuschob. »Das geht auf mich.«
»Und wer sind Sie?«, erkundigte sich Sloane lächelnd.
Die Frau wischte die Theke vor ihr mit einem Lappen ab. »Wo hab ich nur meine Manieren gelassen? Entschuldigen Sie, ich bin einfach nicht gewohnt, neue Gesichter in der Stadt zu sehen. Hier kommen nur selten Fremde durch. Ich bin Izzy. Meinem Mann Norman gehört der Laden hier. Er macht die besten Burger der Stadt. Fragen Sie die Chandler-Brüder, die leben praktisch davon.«
Sloane schmunzelte angesichts des eifrigen Geplappers der Frau. Sie hatte so eine Ahnung, als wäre dies nur ein Vorgeschmack der Wärme und Herzlichkeit, auf die sie stoßen würde, wenn sie länger in der Stadt bliebe. Da sie begriff, dass sie Izzy versöhnlich stimmen musste, wenn sie Informationen aus ihr herausholen wollte, beschloss sie, ihr Angebot anzunehmen. »Ich hätte gern eine Cola light, bitte.«
Izzy stemmte die Hände in die ausladenden Hüften und schnalzte mit der Zunge. »So ein dünnes kleines Ding wie Sie braucht ein paar
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