Für einen Kuss von Frisco
wenn er mit Natasha sprach, und von dem gequälten, schiefen Lächeln, das er der Kleinen schenkte. Sie vermutete, dass sich unter all seinem Zorn und seiner Verbitterung, unter seiner abwehrenden Haltung und seiner rauen Schale ein sehr weiches Herz verbarg.
„Lass uns eine Abmachung treffen“, sagte er zu seiner Nichte. „Du gehst nie ohne einen Erwachsenen an den Strand, und du gehst nie, niemals allein ins Wasser.“
„Das hat Thomas auch gesagt“, erklärte Tasha. „Er sagte, ich hätte ertrinken können.“
„Da hat Thomas völlig recht.“
„Was ist ertrinken?“
„Hast du schon mal versucht, unter Wasser zu atmen?“
Tasha schüttelte den Kopf, dass die roten Locken flogen.
„Probier es lieber nicht aus. Wir Menschen können nämlich unter Wasser nicht atmen. Nur Fische können das. Und ich finde nicht, dass du viel Ähnlichkeit mit einem Fisch hast.“
Die Kleine kicherte, gab aber nicht nach. „Was ist ertrinken?“
Mia verschränkte die Arme vor der Brust, gespannt, ob Francisco wieder versuchen würde, vom Thema abzulenken, oder ob er es tatsächlich wagen würde, mit dem Mädchen über den Tod zu sprechen.
„Also“, begann Frisco langsam, „wenn jemand nicht schwimmen kann oder sich verletzt oder wenn die Wellen zu hoch sind, dann kann er unter Wasser geraten. Das heißt, er kann dann nicht atmen. Normalerweise ist es nicht weiter schlimm, wenn du mit dem Kopf unter Wasser gerätst. Du hältst einfach die Luft an, schwimmst nach oben, tauchst auf und holst Luft, sowie dein Kopf wieder über Wasser ist. Aber wie ich schon sagte, wenn man nicht schwimmen kann oder vielleicht einen Krampf im Bein hat oder es sehr stürmisch ist, dann schafft man es vielleicht nicht mehr nach oben. Und wenn man nicht mehr atmen kann … nun ja, dann stirbt man. Man ertrinkt. Menschen brauchen Luft zum Leben.“
Natasha sah ihren Onkel mit zur Seite geneigtem Kopf unverwandt an. „Ich kann nicht schwimmen“, sagte sie schließlich nach einer Weile.
„Ich werde es dir beibringen“, versprach Francisco ohne Zögern. „Jeder sollte schwimmen lernen. Aber auch wenn du schwimmen kannst, darfst du nie allein ins Wasser gehen. Man sollte immer einen Freund dabeihaben, der einem im Notfall helfen könnte, verstehst du? Nicht mal wir SEALs schwimmen allein, niemals. Man hat immer seinen Schwimmkumpel dabei, der ebenso gut auf einen achtet wie man selbst auf ihn. Und du und ich, Tasha, wir werden in den nächsten paar Wochen Schwimmkumpel sein. Einverstanden?“
„Ich muss jetzt los, Miss Summerton. Sonst komme ich zu spät zur Arbeit.“
Mia wandte sich zu Thomas um, dankbar, dass er sie aus ihren Träumereien gerissen hatte. Sie hatte dagestanden wie eine Idiotin und Alan Francisco angestarrt, hingerissen von seiner Unterhaltung mit seiner Nichte. „Pass auf dich auf, Thomas!“
„Mach ich doch immer!“
Natasha hockte sich in den Sand und untersuchte Steine und Muschelschalen. Thomas beugte sich zu ihr hinunter und fuhr ihr mit der Hand übers Haar. „Bis später, Marsmädchen.“ Dann ein kurzes Nicken zu Francisco: „Lieutenant.“
Francisco erhob sich von der Bank. „Nenn mich Frisco. Und noch mal vielen Dank.“
Der Junge nickte ihm noch einmal zu und verschwand.
„Er hat einen Teilzeitjob als Wachmann an der Uni“, erklärte Mia. „So kann er in seiner Freizeit als Gasthörer an Vorlesungen teilnehmen – soweit er über Freizeit verfügt. Er jobbt nämlich außerdem auch noch als Landschaftsgärtner in Coronado.“
Wieder lag sein Blick auf ihr, diesmal verschleiert und schwer zu deuten. Ihr hatte er nicht angeboten, ihn Frisco zu nennen. Vielleicht war das eher so eine Männersache. Oder ein SEAL durfte sich von einer Frau nicht beim Spitznamen nennen lassen. Vielleicht hatte er auch persönlichere Gründe. Vielleicht wollte er sich einfach nicht näher auf sie einlassen. Dass ihm an einer freundschaftlichen Beziehung nichts lag, hatte er letzte Nacht deutlich genug durchblicken lassen.
Weil sein Blick sie verlegen machte, sah Mia zurück zu ihrem Auto, das noch immer mitten auf dem Parkplatz stand. Solange dieser Mann sich wie ein Rüpel aufführte, wurde sie problemlos mit ihm fertig. Aber wenn er sie wie jetzt einfach nur anstarrte, wenn sein ständig brodelnder Zorn nur ansatzweise zu erahnen war, dann brachte er sie aus dem Gleichgewicht. Sie fühlte sich unbehaglich, fast wie ein verliebtes Schulmädchen. „Tja … Gott sei Dank haben wir … haben Sie Natasha gefunden
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