Für einen Kuss von Frisco
Geheimnisse mit ihr teilte und aufrichtiges Interesse an ihrem Leben zeigte.
Wie sollte er Interesse für ihr Leben entwickeln, wenn er nicht einmal die geringste Begeisterung für sein eigenes aufbrachte?
Jetzt ging seine Fantasie mit ihm durch. Er ging einfach davon aus, dass es ihm leichtfallen würde, sie in null Komma nichts ins Bett zu kriegen. Vor fünf Jahren hätte er vielleicht noch die besten Chancen gehabt, aber heute? Welche Frau – erst recht eine wie Mia – interessierte sich schon für einen Krüppel?
Eher friert die Hölle zu. Frisco ließ den Blick über das gleißende Blau des Ozeans schweifen. Das grelle Licht brannte in seinen Augen.
„Wie kommt ein SEAL zu einem Kind, das nicht schwimmen kann?“, riss Thomas ihn aus seiner Grübelei. Der Zorn in seinen Augen hatte sich merklich gelegt. Jetzt lag darin nur noch zynische Geringschätzung und eine seltsame Wachsamkeit, die den Jungen älter wirken ließ, als er war. Er trug Narben im Gesicht. Eine zog sich durch die rechte Augenbraue, eine weitere zierte seinen hohen Wangenknochen. Diese Narben und seine offenbar schon mehrfach gebrochene Nase verliehen ihm das Aussehen eines alten Kämpfers. Aber von ein paar Slang-Ausdrucken abgesehen, sprach er nicht wie ein Straßenkind. Er hatte überhaupt keinen hörbaren Akzent, und Frisco fragte sich, ob der Junge ähnlich hart daran gearbeitet hatte, alle Spuren seiner Vergangenheit und seiner Eltern auszulöschen, wie er selbst.
„Natasha ist die Nichte des Lieutenants. Sie ist erst heute angekommen und wird ein paar Wochen bei ihm wohnen“, antwortete Mia.
„Direkt vom Mars, oder?“ Thomas schaute unter den Tisch und schnitt Natasha eine Grimasse.
Sie kicherte. „Thomas denkt, ich komme vom Mars, weil ich nicht wusste, was das für ein Wasser ist.“ Natasha kroch unter dem Tisch hervor. An ihren Kleidern klebte Sand, und sie waren klatschnass, wie Frisco erst jetzt bemerkte.
„Nur kleine Marsmädchen haben noch nie im Leben das Meer gesehen“, sagte Thomas. „Und wissen nicht, dass es keine gute Idee ist, allein ins Wasser zu gehen.“
Auf Friscos Gesicht spiegelte sich ein heftiger Widerstreit der Gefühle. Die Rettungsschwimmer hatten ihre Fahne gehisst. Das bedeutete, dass die Strömung heute besonders stark und gefährlich war. Sein Blick wanderte an Thomas abwärts bis zu dessen bis über die Knie nassen Jeans.
„Du hast sie rausgeholt“, stellte er betont lässig fest.
„Ich habe selbst eine fünfjährige Nichte“, gab Thomas ebenso lässig zurück.
Francisco rappelte sich mühsam hoch und streckte dem Jungen die Hand hin. „Danke. Tut mir leid wegen vorhin. Ich … habe keine Erfahrung mit kleinen Kindern.“
Mia stockte der Atem. Sie kannte Thomas gut, und wenn er Alan Francisco als Feind betrachtete, würde er ihm niemals die Hand schütteln.
Aber Thomas zögerte nur kurz und ergriff dann die Hand des Lieutenants.
Für den Bruchteil einer Sekunde spiegelten sich in Friscos Augen Erleichterung, Dankbarkeit, Bedauern und Scham. Doch wie immer verschwand dieser Gefühlsausdruck blitzschnell hinter einer ausdruckslosen Maske. Um zu verbergen, was in ihm vorging, begrub er seine Empfindungen fein säuberlich unter dem ständig in ihm brodelnden Zorn.
Er versteckte alles hinter diesem Zorn. Nur aus der ungeheuren erotischen Anziehungskraft, die Mia auf ihn ausübte, machte er kein Hehl. Im Gegenteil: Er stellte sie regelrecht zur Schau.
Dabei hatte Mia gestern Abend noch gedacht, er wolle sie nur abschrecken mit seinen Machosprüchen.
Da hatte sie sich wohl gründlich getäuscht. Seine Blicke sprachen eine eindeutige Sprache.
Wirklich verrückt an dieser ganzen Geschichte war jedoch, dass der Gedanke an eine sexuelle Beziehung mit diesem Mann sie überhaupt nicht abschreckte. Sie konnte sich das selbst nicht erklären. Lieutenant Alan Francisco war ein Bilderbuchsoldat, sehr wahrscheinlich ein Chauvinist, obendrein ein Trinker und zu allem Überfluss tätowiert. Dennoch konnte sie sich sehr gut vorstellen, ihn bei der Hand zu nehmen, zu ihrem Bett zu führen und dort mit ihm zu verschmelzen.
Und das lag nicht daran, dass er athletisch gebaut, durchtrainiert und verdammt gut aussehend war. Na schön, um ehrlich zu sein, es lag auch ein wenig daran. Natürlich war ihr aufgefallen, dass er ein Bild von einem Mann war, und es fiel ihr immer wieder auf.
Dennoch fühlte sie sich vor allem von etwas anderem angezogen – nämlich von der Zärtlichkeit in seinen Augen,
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