Für einen Kuss von Frisco
überraschte sie. Ich hatte entsetzliche Angst. Nie hätte sie erwartet, dass er so etwas zugab. Niemals. Dieser Mann überraschte sie immer wieder.
„Ich weiß nicht, wie Eltern mit so etwas fertig werden“, fuhr er mit erstickter Stimme fort. „Stell dir vor, da ist dieses Kind, das dir mehr bedeutet als dein eigenes Leben, und dann ist es auf einmal so krank, dass es nicht einmal aufstehen kann.“
Nach einer Pause, in der er gedankenverloren aus dem Fenster sah, fügte er hinzu: „Das Schlimmste dabei war: Wenn ich ganz und gar auf mich allein gestellt gewesen wäre, hätte ich sie nicht ins Krankenhaus schaffen können. Ich säße immer noch hier und würde mir das Hirn zermartern, wie ich sie die Treppen runterkriegen soll.“ Er drehte sich um und schlug in hilfloser Wut mit der Faust auf die Arbeitsplatte. „Ich hasse es, mich so verdammt hilflos zu fühlen.“
Er wirkte so angespannt und gequält. Mia schlang ihre Arme um sich, um sie nicht nach ihm auszustrecken. „Aber du bist nicht allein auf der Welt. Du bist nicht allein.
„Aber ich bin hilflos.“
„Nein, auch das bist du nicht“, widersprach sie. „Nicht mehr. Du bist nur hilflos, wenn du dich weigerst, um Hilfe zu bitten.“
Bitter lachte er auf. „Ja, genau …“
„Ja“, sagte sie ernst. „Ganz genau. Denk doch mal darüber nach, Alan. Es gibt so viele Dinge im Leben, die wir nicht selbst tun können. Nimm zum Beispiel dein T-Shirt.“ Sie trat näher an ihn heran und befühlte den weichen Baumwollstoff. „Du hast es nicht selbst genäht, nicht wahr? Du hast die Baumwolle nicht gepflückt, den Stoff nicht gewebt. Eine ganze Menge Leute haben daran gearbeitet, dass aus flaumig gefüllten Samenkapseln ein T-Shirt wurde. Bedeutet das etwa, dass du hilflos bist, nur weil du es nicht selbst hergestellt hast?“
Mia stand viel zu dicht vor ihm. Sie konnte seinen männlichen Duft riechen, dazu einen Hauch von Aftershave oder Deo. Er musterte sie. Das Licht der Parkplatzbeleuchtung, das durchs Fenster hereinfiel, warf harte Schatten auf sein Gesicht. Seine Augen schimmerten farblos, aber darin loderte eine Glut, die auch ohne Farbe deutlich zu sehen war. Sie ließ sein T-Shirt los, trat aber nicht zurück. Sie wollte nicht von ihm abrücken, auch wenn sie damit riskierte, dass das Feuer in seinen Augen auf sie übersprang und sie in Flammen setzte.
„Bist du nun hilflos, weil du deine Kleidung nicht selbst nähst?“, fuhr sie fort. „Nein, denn Levi ’ s und Fruit of the Loom tun das für dich. Du kannst Natasha nicht die Treppe hinuntertragen? Gut, dann trage ich sie für dich.“
Frisco schüttelte den Kopf. „Das ist nicht das Gleiche.“
„Es ist genau das Gleiche.“
„Und wenn du nicht zu Hause bist, was dann?“
„Dann rufst du Thomas an. Oder deinen Freund … wie heißt er noch gleich? Lucky. Und wenn du sie nicht erreichst, dann rufst du jemand anderen an. Statt des Zettels da“, sie deutete auf die Liste am Kühlschrank, „solltest du dort eine Liste mit Freunden hängen haben, die du um Hilfe bitten kannst. Denn du bist nur hilflos, wenn du niemanden hast, den du anrufen kannst.“
„Werden sie für mich am Strand entlangrennen?“, fragte Frisco mit erstickter Stimme. Er trat noch näher an sie heran, gefährlich nah. Nur wenige Zentimeter trennten sie, und sie spürte seinen Atem heiß auf ihrer Wange. „Werden sie sich für mich in Form bringen, für mich den aktiven Dienst bei den SEALs übernehmen? Können sie für mich an Einsätzen teilnehmen, rennen, wenn ich rennen muss, gegen eine starke Strömung anschwimmen, wenn ich es muss? Können sie für mich aus dem Flugzeug abspringen? Für mich kämpfen? Sich für mich lautlos bewegen? Können sie all das tun, was ich tun müsste, um mich und meine Kameraden am Leben zu halten?“
Mia schwieg.
„Du verstehst das nicht.“ Der Wasserkessel begann zu pfeifen, und Frisco wandte sich von Mia ab. Er hatte sie nicht berührt, aber seine Nähe war körperlich spürbar gewesen. Mia trat ein paar Schritte zurück und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Er nahm den Teekessel vom Herd und holte zwei Tassen aus dem Schrank. „Wenn ich nur wüsste, wie ich es dir erklären soll.“
„Versuch es. Versuch, es mir zu erklären.“
Schweigend öffnete er den Küchenschrank erneut und nahm zwei Teebeutel heraus, hängte sie in die Tassen und überbrühte sie mit heißem Wasser. Dann stellte er den Kessel zurück, bevor er stockend zu erzählen
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