Fuer Elise
Stufe, die sie nahm? Kam sie überhaupt tiefer?
Das war kein Weg für Menschen, sondern für Vampire! Vielleicht war die Treppe zu lang und zu tief, um sie überhaupt mit menschlichen Kräften zu bewältigen. Und wie sollte sie aus eigener Kraft all die Stufen wieder hinauf gelangen, wenn sie Magnus nicht fand?
Mit jeder Biegung, hinter der ein neues Stück Treppe erschien, drohte ihr Verstand zu entgleiten. Quälende Minuten vergingen. Der Wunsch nach Umkehr steigerte sich in ein Mantra. Die Enge der Wände rückte näher an ihren Körper und sie bekam kaum noch Luft.
Wie weit konnte ein Mensch unter die Erde, bis der Sauerstoff knapp wurde?
Sie schnaufte bereits jetzt, als steige sie einen Turm nach oben. Die Angst jagte ihren Blutdruck in die Höhe.
Es musste schon halb sieben durch sein. Was, wenn sie sich einfach auf eine Stufe setzen und auf Magnus warten würde? Heftig atmend blieb sie stehen und griff sich an die Brust. Ihr Puls pochte in ihren Schläfen und in ihren Ohren rauschte es. Der Zustand ebbte ab, als sie eine Weile pausierte.
Nicht diese Treppe will dich töten, sondern der Vampir, sagte sie sich. Sie musste schon ziemlich verwirrt sein, wenn sie sich Magnus als Retter herbeiwünschte.
Elise atmete langsam aus und biss die Zähne zusammen. Dann tat sie den nächsten Schritt. Endlich, mit dem Gefühl am liebsten den Boden zu küssen, brachte die nächste Biegung die Erlösung. Der Schein der Taschenlampe traf auf grauen Boden, übersät von Geröll. Ein kalter Tropfen traf Elise ins Gesicht. Ihre Angst hatte das lauter werdende Tropfen ausgeblendet. Der schmale Lichtkegel reflektierte eine bizarre Ansammlung steinerner Stalaktiten, die wie Dolche von der Decke ragten. Überall in der Höhle tropfte es, als hätte sich ein ungleichmäßiger Regen eingestellt.
Elise senkte die Taschenlampe auf Hüfthöhe ab und leuchtete in die Fläche. Die Grotte maß vielleicht zwanzig Meter in der Breite, doch sie fand keine Gänge oder Öffnungen in den Wänden gegenüber. Vorsichtig, um nicht über die größeren Brocken zu stürzen, trat sie einige Schritte in die Tiefe des Raums. Ein Fels, der in der Mitte der Grotte vom Boden aufragte, breit und knorpelig wie der Baumstamm einer Eiche, verband sich an seinem massigen Ende mit der Felsdecke.
Hinter ihm erkannte sie an der Höhlenwand eine winzige Öffnung. Sie war niedrig und Elise schob mit der Rechten ihre linke Hand in die Hosentasche, als sie gebückt und mit an den Körper gedrücktem Ellbogen weiter ging. Zu ihrer Erleichterung wurde der Pfad bald breiter, blieb aber so nieder, dass sie sich mit kleinen Schritten vorkämpfen musste. Ihre Schulterblätter verkrampften. Elise ging in die Knie, drückte mit der rechten Hand die Finger der Linken zur Faust und setzte sie auf den Boden auf. Vielleicht genügte Magnus' Gift, um den Arm wenigstens steif machen zu können.
Langsam machte sie die erste Probebewegung und brach ein. Ihr Schrei zerriss parallel zu ihrem Aufschlag die Stille. Elise erstarrte, die Wange im Staub, während sie ihrer Stimme nachlauschte. Einen Moment meinte sie Schritte zu hören. Dann war es still.
Sie rappelte sich auf die Knie, spannte den Arm an, fixierte in Gedanken ihren Ellbogen und setzte die Faust auf dem Boden ab. Sie stellte die Rechte daneben und schob sich vorwärts.
Der Arm hielt. Elise lachte.
Meter für Meter kroch sie weiter, betend, dass Magnus sie nicht gerade jetzt so fand. Endlich hob sich die Decke über ihr und es wurde von irgendwoher heller. Ein künstliches Licht, milchig und schemenhaft, breitete sich aus. Elise stand auf, lockerte ihre Muskeln und blieb stehen, um in die Fläche zu leuchten.
Vor ihr erhob sich ein Stalagmitenfeld, dicht wie ein Tannenwald. Sie knipste die Lampe aus, ihre Augen hatten sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt. Vorsichtig schob sie sie in den Rucksack und legte die Hand auf einen der von unten zusammengewachsenen Felsstücke. Das Wasser lief an dem Stein herab und ihr war, als berühre sie einen blanken Knochen. Doch es gab kaum eine Möglichkeit durchzukommen.
Sie schauderte bei dem Gedanken, dass Magnus sie längst beobachten könnte.
Die Steindolche vor ihr waren auf Hüfthöhe von unten her zusammengewachsen und ließen oberhalb nur einen dünnen Spalt frei. Elise sprang vom Boden ab, schwang ein Bein in den Spalt und schaffte es beim dritten Versuch rittlings zwischen den Steinen aufzusitzen. Die Spalte drängte sich erstickend eng an ihre Brust. Ihr
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