Für hier oder zum Mitnehmen?
Arbeitsalltag. Milena nehme ich fest in den Arm und schiebe sie in Richtung Tresen, lasse sie los, gebe ihr einen kleinen Schubs, und sie geht selbständig weiter. Magnus folgt ihr, Shanti nimmt seufzend den großen Schneebesen von der Wand. Während er das Müsli anrührt, beseitige ich das Chaos in der Küche, das er während seiner Suche angerichtet hat. Als Gastronomieneuling komme ich mir immer wieder vor wie ein kleines Kind in einer Küche von Erwachsenen. Die Geräte sind alle deutlich größer, als man das aus dem Hausgebrauch kennt. Der Herd, der Mixer, die Töpfe, die Verpackungseinheiten und auch der Schneebesen.
»Das Medium legt mir ab und zu die Karten«, berichtet Shanti, während er rührt. »Alles, was es vorhersagt, trifft auch ein. Den Job hier hatte es auch prophezeit. Dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, ist doch offensichtlich.«
Er hebt den Schneebesen, zeigt mit der anderen Hand darauf und blickt mich bestätigungssuchend an. Dann reicht er mir zwei Zettel. Das eine ist eine Liste mit Lebensmitteln, die ich nachkaufen soll. Das andere Blatt trägt die Telefonnummer des Mediums. Darunter hat er geschrieben: »Ruf an!«
Dass ich Lebensmittel nachkaufen muss, ist ein gutes Zeichen. Allerdings befindet sich ein Großteil davon nun in den Verdauungstrakten von Frau Melanowski und ihren Freundinnen im St.-Antonius-Stift, ohne Umsatz erzeugt zu haben. Die Lieferanten werden uns erst nach Begleichung der offenen Rechnungen wieder beliefern, dann auch nicht mehr auf Kommissionsbasis, sondern gegen Barzahlung. Wenn ich aber die alten Kommissionsrechnungen begleiche, bleibt kein Geld für die Barzahlung. Das bedeutet Einkauf im Supermarkt.
Im Beisein von Shanti rufe ich das Medium an. Meine letzte Hoffnung ist, dass es mir schon am Telefon Entwarnung geben kann und die Sache damit auf dem kleinen Dienstweg erledigt wird. Shanti wäre dann mein Zeuge.
In der Telefonnummer befinden sich drei Sechsen hintereinander. Ich frage mich, ob das Zufall oder Marketing ist, als sich eine Frau mit einer jungen, frischen Stimme meldet. Erwartet hatte ich einen rauen, dunklen, alten Klang. Bevor ich ihr den Vorfall schildere, stelle ich klar, dass ich nicht an Gespenster und sonstige Geistererscheinungen glaube, sich in meinem Team aber Mitglieder befänden, die das gänzlich anders sähen. Ich würde deshalb Unterstützung von ihr erhoffen und ihren Rat benötigen. Meinem Wunsch nach fernmündlicher Klärung der Angelegenheit im Sinne einer Service-Hotline kann sie leider nicht Folge leisten.
»Diese Telefonmethode, von der Sie sprechen, ist mir völlig unbekannt. Nur ein Ortstermin kann hier Gewissheit verschaffen. Wenn es denn so dringend ist, kann ich gleich morgen früh um neun Uhr vorbeikommen.«
Offenbar an Ungläubige gewöhnt, informiert sie gelassen und ruhig, ohne jeden Versuch, mich zu missionieren. Ich gebe mich geschlagen.
»Morgen um neun ist perfekt!«
Shanti nickt mir zufrieden zu und rührt meditativ im Birchermüsli.
Eine kleine Schlange von drei Gästen steht vorne am Tresen. Magnus bedient sie. Einige Tische sind schon besetzt. Er verrichtet seine Arbeit zügig.
Milena steht weiter hinten im Tresen und spricht mit Howard Carpendale. Dieses Problem sollte gelöst sein. Sie hat, seit ich sie aus der Küche geschoben habe, noch kein großes Wegstück zurückgelegt. Es fällt mir schwer zu entscheiden, was wichtiger ist: dass sich Milena mit dem amerikanischen Gast gut versteht oder dass unsere neuen Gäste in der Schlange nicht lange warten müssen. Ich löse das Problem, indem ich selber nach vorne gehe und bediene.
Um die erste Bestellung zu produzieren, stelle ich mich zu Magnus an die Kaffeemaschine. Jeder von uns benutzt eine Gruppe der Maschine. In den letzten Tagen hatte ich es schon bereut, eine große zweigruppige anstatt einer viel günstigeren eingruppigen gekauft zu haben. Aber der Verkäufer hatte mir unbedingt zu einer größeren Macchina geraten.
Nun stehe ich mit Magnus vor dem guten Stück. Es ist das Herzstück des Tresens, der Tresen ist das Herzstück des Cafés. Ich befülle den Siebträger mit frisch gemahlenem Espressopulver und hänge ihn in die Brühgruppe ein. ›Halbautomatische Espressomaschine‹ ist die korrekte Bezeichnung für das Gerät. Mit Automatik ist lediglich gemeint, dass die Wassermenge elektronisch gesteuert wird. Auf Knopfdruck wird das heiße Wasser mit hohem Druck durch das Espressopulver im Siebträger gepresst. Die Zeit, die das
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