Für hier oder zum Mitnehmen?
will. Traurig und klein fühle ich mich. Am liebsten würde ich alles hinschmeißen und zurückkehren in die Dusche, mich am ganzen Körper rasieren und über Schleckermädchen fachsimpeln. Schweiß rinnt über mein Gesicht.
Milena hat einen Gast bedient und kommt unvermittelt auf mich zu. Offen, fröhlich und gut schaut sie aus.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragt sie mit echtem Interesse. »Du bist ja knallrot und kreidebleich gefleckt. Wo kommst du denn her?«
»Vom Sport«, gebe ich matt zurück und zeige auf das gegenüberliegende Haus. Mein Ärger ist Erschöpfung und Resignation gewichen. Milenas Blick folgt meiner Geste, sie versteht nicht, wo oder wie man in dieser Richtung Sport treiben könnte und schaut mich skeptisch an. Sie tupft mir mütterlich mit einer Papierserviette den Schweiß von der Stirn. Verwirrt erscheine ich ihr vermutlich. Ich habe es mit dem Sport übertrieben, mein Kreislauf droht abzusacken, das spüre ich nun erst, und Milenas besorgtes Gesicht bestätigt mir diesen Zustand.
»Ich mache dir erst mal einen frischen Saft. Das wird dir helfen.«
Der Zentrifugalentsafter direkt vor mir heult auf, Milena lässt in seinem zylindrischen Eingang einen Apfel, zwei geschälte Orangen, ein Stück Ingwer und eine große Möhre verschwinden. Unter dem Eingang befindet sich eine mit hoher Geschwindigkeit und kräftigem Drehmoment rotierende Metallscheibe mit etlichen kleinen Messern darauf. Diese Messer zerrreißen und zerhacken die Frucht, sie spalten sie derartig auf, dass sich Festes von Flüssigem trennen kann. An die Metallscheibe schließt sich ein konisch geformtes, engmaschiges Sieb an. Die Flüssigkeit wird durch die Zentrifugalkraft nach außen durch das Sieb gedrückt und in einer Kammer gesammelt, deren Ausguss das Saftglas befüllt. Der feste Bestandteil der Frucht kann nicht durch das Sieb hindurch und wird aufgrund der gleichen Kraft und der konisch erweiterten Form immer weiter nach oben verschoben, bis er, über den Rand geschleudert, in die Tresterkammer gelangt, die hin und wieder geleert werden muss.
Am ehesten lässt sich der Vorgang mit dem Schleudern von Wäsche vergleichen. Nur die Wertigkeit der Produkte steht im Gegensatz. Bei der Wäsche ist das Feste das Wertvolle, das zu Erhaltende.
Milena stellt ein großes, mit frischem Saft gefülltes Glas vor mich auf den Tresen, darin steckt ein dicker, transparenter Plastikstrohhalm.
»Nun erzähl doch mal, was ist denn passiert? Hast du auch eine Erscheinung gehabt?«
Magnus rückt näher an mich heran, ursprünglich saß er auf der anderen Seite des Tresendurchgangs. Er legt fürsorglich einen Arm um mich. Aufgrund der Kreislaufprobleme ist mein Blickfeld etwas eingeschränkt. Die Umarmung ist gut gemeint, aber unvermittelt steigern meine Schweißporen ihre Produktion. Sanft schiebe ich Magnus’ Arm beiseite, ich kann nichts sagen, da ich mich zu schwach fühle. Ich entledige mich meiner Jacke und meines Pullovers und sauge gierig an dem frischgepressten Saft. Schlagartig geht es mir etwas besser. Unterdessen bedient Milena einen Gast, so wie ich es mir wünsche: aufmerksam, zügig und freundlich. Kleiner Smalltalk. Vielen Dank, auf Wiedersehen. Bis bald mal wieder.
»Milena, du musst bitte mehr auf den Tresen vorne achten, auf die Gäste.« Meine Stimme klingt heiser, ich räuspere mich. Milena schaut mich an, als hätte sie mich nicht verstanden, folglich wiederhole ich den Satz lauter.
Milena sieht Magnus an, der sagt: »Du, das war alles absolut ein bisschen viel heute Morgen. Für uns alle insgesamt. Aber die Milena, die ist super aufmerksam mit die Gästen. Das stimmt gar nicht, was du da sagst.«
Er legt dabei eine Hand auf meine Schulter und neigt sich nach vorne, um mir direkt ins Gesicht blicken zu können.
»Magnus, ich glaube, das muss ich ausnahmsweise mal mit Milena alleine besprechen.«
»Na klar. Absolut kein Problem.« Er zieht sich wieder an das andere Tresenstück jenseits des Durchganges zurück.
»Aber was meinst du denn?«, fragt Milena ungläubig. Auch sie berührt mich, diesmal an der Hand. Ich bekomme eine leichte Ahnung davon, wie sich Missbrauchsopfer fühlen müssen.
»Ich meine damit, dass du einen Gast sofort bedienen musst, sobald er hereinkommt. Das ist wichtig.«
»Ja, das ist mir auch wichtig. Und das mache ich ja. Ich bin doch keine Anfängerin.«
»Vorhin musste ein Gast winken, um deine Aufmerksamkeit zu erhalten, und dann ist ein anderer, den du nicht gesehen hast,
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