Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
Vom Netzwerk:
reißt mich aus meinen Grübeleien: »Morgen habe ich dann die Schichtplan fertig. Wenn wir doppelte Frühschichte machen, dann benötigen wir noch absolut mehr Mitarbeiter.«
    »Ich habe hier noch ein paar vielversprechende Bewerberinnen, die rufe ich morgen mal an und lade sie ein«, sage ich zweideutig und betone das ›innen‹. Ich stehe auf. »So, ich muss jetzt mal einkaufen gehen, sonst wird Shanti nervös, und das wollen wir ja beide nicht, oder?«
    »Kannst du mir mitbringen ein paar Kondome?«, erwidert Magnus augenzwinkernd.
    »Nein, kann ich leider nicht, ich habe schon so viel zu tragen.« Wir lachen uns an und ich beschließe, die Vorstellungsgespräche lieber alleine zu führen, ohne Magnus.
    Die Lebensmitteleinzelhändlersituation in Berlin-Mitte ist schlecht. Kleinere Geschäfte konnten die steigenden Mieten nach 1989 nicht verkraften, zudem floh ihre Stammkundschaft aus dem Viertel. Als nennenswerter Supermarkt geht nur die sogenannte Ackerhalle durch. Dabei bezeichnet ›Ackerhalle‹ das Gebäude und nicht den eigentlichen Supermarkt. Der Supermarkt ist Mieter der Halle und gehört einem der großen Filialisten an.
    Ende des neunzehnten Jahrhunderts baute der Berliner Magistrat mehrere große Markthallen, die alle in dichtbesiedelten Wohngegenden lagen, um der gestiegenen Nachfrage und den Versorgungsansprüchen der schnell wachsenden Stadt gerecht zu werden. Zudem wollte man die Position der Kleingewerbetreibenden gegenüber den neuen Warenhausketten stärken.
    Das alte Markthallengefühl kann man erahnen, die Decke schwebt in ungefähr zwölf Meter Höhe, getragen von einer eleganten Stahlkonstruktion, durchzogen mit Oberlichtern. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Franz Biberkopf wäre hier koofen jejangen.
    Vor dem Eingang in der Invalidenstraße stehen Fred und der General und verkaufen ihre Obdachlosenzeitung. Als sie mich erblicken, sagt Fred entschuldigend: »Mensch, Chef, gehste Nachschub holen? Sorry, aber heute Vormittag haben wir es nicht zu dir jeschafft. Wir wollen die letzten Sonnenstrahlen noch mitnehmen, bevor der Sommer janz verschwindet. Läuft gut hier vor der Ackerhalle heute, aber wir wollten eh gleich zu dir kommen, wie vereinbart.«
    Der Gedanke daran, dass die beiden in dem Gespensterhaufen heute Morgen auch noch mitgemischt hätten, löst einen kleinen Panikanfall in mir aus.
    »Mach dir keine Gedanken, das ist nicht so schlimm, wenn mal ein Termin ausfällt. Ist ja eher andersrum gemeint, unsere Vereinbarung.«
    »Keine falsche Bescheidenheit, Chef! Vereinbart ist vereinbart. Wir kommen! Auf uns ist Verlass!« Fred wendet sich einem Kunden zu, der gerade sein Eurostück aus dem Einkaufswagen ausgelöst hat.
    Schnell füllt sich mein Wagen mit Lebensmitteln, da ich nur wenige verschiedene Waren einkaufe, davon aber viel. An der Kasse bezahle ich mit Bargeld, alles kleine Scheine, die ich eben direkt aus der Kasse im Café genommen habe. Ein schönes Gefühl, wie ich dem Kassierer die Scheine in die Hand zähle. Ehrlich verdientes Geld.
    Sechs volle, große Plastikbeutel hänge ich an den Lenker meines Fahrrades, drei rechts, drei links, und schiebe die Beute in Richtung Räuberhöhle. Starker Wind weht, graue, schwere Wolken künden den nächsten Regenschauer an. Alle scheinen deshalb ihre Schritte zu beschleunigen und sind auf der Suche nach einem Unterschlupf.
    Als Shanti mich durch das Küchenfenster mit den Einkäufen sieht, kommt er gleich hinausgelaufen und nimmt mir die Hälfte der Beutel ab.
    »Das wird höchste Zeit! Hier ist immer mehr los.«
    Die Angst vor dem nahenden Regen treibt Gäste in das Café. Neue Gäste, man bemerkt es an den Blicken und daran, dass sie sich nicht gleich zurechtfinden. Milena und Magnus arbeiten gemeinsam im Tresen. Ihre Bewegungen sind harmonisch aufeinander abgestimmt, einem eingespielten Tanzpaar gleich.
    Ich freue mich auf den Herbst.

9.
    EXTRABALL
    H eute Morgen ist der Himmel fast wolkenfrei, Küstenwetterlage, ein wenig herbstlich und doch sonnig. Die kleinen Wolken ziehen schnell. Bestes Exorzistenwetter.
    Ein bekanntes Bild zeigt sich mir, als ich das Café betrete. Es ähnelt dem des gestrigen Morgens, leicht verändert wurde nur die Besetzung, die Kameraeinstellung und der Ort. Dolores sitzt am Tresen, den Kopf in die Hände gestützt, sie weint. Magnus steht dicht neben ihr und hat einen Arm um sie gelegt, Milena hält ihre Hand, steht dabei im Tresen, Dolores gegenüber. Shanti unterhält sich intensiv mit einer

Weitere Kostenlose Bücher