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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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mir unbekannten Frau, er nutzt beide Hände, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Darf ich vorstellen?«, sagt er, als er mich bemerkt. »Aurinia, das Medium, von dem ich dir erzählt hatte.« Shanti tritt einen Schritt zurück und deutet zunächst auf Aurinia und dann auf mich. Wir geben uns die Hand.
    Warum sind alle vor mir hier? Ich wollte als Erster mit dem Medium sprechen, damit es nicht beeinflusst werden kann.
    »Aurinia? Ein ungewöhnlicher Name! Ist mir in unserem Telefonat gestern gar nicht aufgefallen.«
    »Am Telefon melde ich mich mit meinem weltlichen Namen, Aurinia ist mein Geistname.«
    Sie ist groß, ihr Äußeres ähnelt Dolores ein wenig, eine hübsche junge Frau mit eindeutigen weiblichen Rundungen. Dunkles Haar und dunkle Augen, die klar und doch befremdlich leuchten. Wäre ich Aurinia unter anderen Umständen begegnet, wäre mir nicht in den Sinn gekommen, dass sie ein Medium sein könnte. Jetzt, da ich weiß, welche Fähigkeiten sie haben soll, sieht sie tatsächlich ein wenig wie eine Wahrsagerin aus. Das lange, dunkle, zurückgebundene Haar wird von zwei großen Kreolen flankiert, die unter den kleinen Ohren die lebhaften Bewegungen ihres Kopfes unterstreichen. Gekleidet ist sie neutral, Bluse und Jeans.
    »Nun gut, Aurinia, dann stelle ich dir mal Dolores vor, sie ist dem Gespenst begegnet. Unsere Hauptperson bei dieser Geschichte.«
    »Nicht nötig, das hat Shanti bereits übernommen.«
    Shanti nickt mir selbstgefällig und auch ein wenig stolz zu.
    Dolores sitzt mit hängendem Kopf am Tresen, Magnus steht hinter ihr und massiert ihr mit beiden Händen den Nacken.
    Ich hoffe nicht, dass die Begegnung mit Aurinia Dolores in diesen Zustand gebracht hat. Ich erhoffte mir das Gegenteil von Aurinias Intervention.
    »Was hat Dolores denn? Ist wieder was vorgefallen?«, frage ich Shanti.
    Milena tritt hinzu: »Es spukt schon wieder. Kurz bevor du gekommen bist, ist ein Gast hier gewesen, der hat sich einen Kaffee bestellt und ist dann damit nach oben gegangen. Ich war jetzt gerade noch mal nachsehen, da ist niemand, und heruntergekommen ist auch niemand. Der Kaffee steht unberührt auf einem Tisch.«
    In mir sträubt sich alles, weiter auf diese absurde Situation einzugehen, der vorherrschende Impuls ist Flucht. Einfach weglaufen, ich will nicht in dieser Harry-Potter-Welt sein. Ich werde eine Stelle beim Schleckersicherheitsdienst annehmen und schaue alle paar Tage mal rein, wie es so läuft im Café. Ich will mich endlich Feinheiten und Details widmen, mir weiter Gedanken machen über Kommunikationsansätze, die dem Café mehr Gäste bescheren. Verstrickt, gefangen und ferngesteuert fühle ich mich.
    »Der Gast, den du da beschreibst«, wende ich mich an Milena, »ist kein Gast, sondern ein«, ich kann mir eine kleine dramatische Pause nicht verkneifen, sie kommt gut an, alle halten inne und hängen an meinen Lippen, »Junkie, der sich auf der Toilette eingeschlossen hat.«
    Zu meiner eigenen Überraschung schlägt meine Verzweiflung jäh um, in Sportsgeist. Das gibt mir Kraft. Vermutlich ist das ein neuer, urbaner Anpassungstrick der Evolution.
    »Ein Junkie?«, fragt Milena ungläubig, als hätte ich etwas völlig Abwegiges gesagt.
    »Ja, ein Junkie. Diesen Fall hatten wir doch schon einmal. Davon gibt es hier mehr, als man denkt, die U-Bahn-Linie 8 ist eine der Berliner Heroinlines und der Weinbergspark ist Dealer’s Paradise, weißt du das nicht? Nun kommen die auf unsere Toiletten, weil es kälter wird. Der Mann liegt wahrscheinlich zugedröhnt in einer abgeschlossenen Kabine. Das ist alles. Und so ähnlich lässt sich alles andere auch erklären, ohne Übersinnliches, da bin ich mir sicher.«
    Das lasse ich kurz sacken. »Aber eins nach dem anderen. Ich gehe jetzt nach oben und schmeiße den Junkie raus, danach gehen wir in den Keller und klären die Gespenstergeschichte auf.«
    Ich steige zügig die Treppe hinauf, zwei Stufen nehme ich auf einmal, auf dem letzten Stück blicke ich hinab, alle sehen mir ängstlich nach, der todesmutige Gang in die Höhle des Poltergeistes. Ich winke fröhlich hinunter, Milena winkt als Einzige zaghaft zurück. Wäre ich ein Ritter vor einem Turnierkampf, so ließe sie nun ihr Seidentuch fallen.
    Das Obergeschoss ist menschenleer. Auf einem der Tische steht eine Tasse Kaffee mit Untertasse und Löffel. Die schwarze Flüssigkeit sieht unberührt aus. Ich erinnere mich an Klamottes Worte. Während der Sanierung des Cafés riet er mir dringend von

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