Für hier oder zum Mitnehmen?
dunkel, nur Kerze von Nazi«, sagt Dolores.
»Sie hat aber definitiv nichts zu dir gesagt oder irgendein Zeichen gegeben?«
»Nein, nein, sie nur stehen da und gucken böse. Sehr böse!« Dolores macht eine Pause, hebt die Hände, guckt auch böse. »Und plötzlich wieder weg. Bim bam bum.«
Bim bam bum klingt für mich eher nach Weihnachten.
»Entschuldigung, wenn ich euch kurz störe.« Milena ist im Keller, bim bam bum.
Ich unterbreche sie verärgert: »Wir hatten doch ausdrücklich vereinbart, dass du …«
»Der Junkie! Ich wollte dir nur schnell Bescheid sagen wegen des Junkies, das ist ein Notfall.«
Ein Stück hinter ihr steht Shanti und tut so, als suche er etwas im Trockenlager. Als er bemerkt, dass ich ihn sehe, lächelt er verlegen und weicht meinem Blick aus.
»Er kam eben an den Tresen und war total sauer. Er hat richtig rumgebrüllt, Magnus und ich sind sehr erschrocken. Er schrie, dass er es unmöglich findet, dass man hier fürs Scheißen verhaftet werden soll, und was das überhaupt für ein Drecksladen ist, und dann ging er wütend raus.«
Auch Milena ist wütend, ihr Gesicht ist mir zugewandt, ihre Augen aber blicken Dolores und Aurinia prüfend an.
»Bei solchen Aktionen kannst du dich nicht einfach hier verkriechen und uns oben der Gefahr aussetzen.«
»Ich fürchte, das war gar kein Junkie, Milena.« Nun stehen wir doch alle im Keller beisammen, einzig Magnus fehlt.
»Kein Junkie? Wie peinlich! Das ist ja umso schlimmer. Und uns lässt du da oben schön im Regen stehen. Zum Gespött des Rosenthaler Platzes lässt du uns werden. Alle haben das mitbekommen, der General, mein amerikanischer Produzent und auch die Zwillinge.«
Oben ist richtig was los!
»Es tut mir ausgesprochen leid, aber wie du siehst, drehe ich hier unten im Keller auch nicht gerade Däumchen.« Ich deute auf Dolores und Aurinia, die ich dabei freundlich anlächele, sie sollen die Situation nicht falsch verstehen. Sie wirken, als wären sie gerade aufgewacht und blicken uns erstaunt an.
»Was ist denn nun mit dem Gespenst?« Milena wendet sich nun direkt an Aurinia, die von Milenas Strenge nicht unbeeindruckt ist und unvermittelt Bericht erstattet.
»Also, es ist eindeutig, dass hier eine alte Seele nicht zur Ruhe kommt.«
Ein leises Raunen geht durch den Keller. Genau diese Situation hatte ich zu vermeiden versucht. Divide et impera. Ich hatte die Hoffnung gehegt, die Informationen des Mediums selber weitergeben zu können, um sie im Sinne der mündlichen Überlieferung beeinflussen zu können.
»Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass es sich um den Geist der verstorbenen Putzfrau handelt!«, fährt Aurinia fort.
Das war jetzt schon alles? Ich hatte mir nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, was ein Medium tun würde, um festzustellen, ob es spukt oder nicht. Aber irgendeinen kleinen Zauber hatte ich schon erwartet. Eine Wünschelrute, ein Räucherstäbchen, eine Kerze, die von einem Windhauch ausgeblasen wird, oder wenigstens eine Art Meditation.
»Ich bitte zu einem gemeinsamen Gespräch«, sagt Aurinia, und etwas leiser: »Aber auf keinen Fall hier im Keller.«
Ich bin mir nicht sicher, ob Aurinia mit ›gemeinsam‹ auch mich meint. Trotzdem versuche ich die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. »Gut, dann gehen wir jetzt alle nach oben.«
»Oben ist es übrigens ziemlich voll. Es hat angefangen zu regnen, kurz bevor dein Möchtegern-Junkie seine Szene am Tresen abzog.«
»Voll? Jetzt aber schnell rauf!« Ich tue so, als würde ich erschrecken und klatsche lachend in die Hände. Alle setzen sich fröhlich in Bewegung.
Das Wetter ist in der Gastronomie ein altbekannter Faktor. Normale Cafés haben ihren Umsatzschwerpunkt im Sommer. Bei diesem Café gilt jedoch die Bauernregel: Kommt die Sonne raus, gehen die Gäste raus, fällt Regen, fallen die Gäste ein. Wie bei einem Wetterhäuschen. Dass die Gastronomie dermaßen wetterfühlig sein würde, hatte ich nicht gedacht.
Dolores und Aurinia gehen vorneweg. Dolores ist erfüllt von einem neuartigen Stolz. Der Winkel zwischen Kinnlinie und Hals entspricht der offiziellen Tangonorm. Als sie an mir vorbeigeht, blickt sie demonstrativ in die andere Richtung.
Am Durchgang zwischen Küche und Tresen empfängt Magnus die Prozession. »Gut dass ihr kommt, es ist absolut gut los hier. Shanti, ich brauche bitte dreimal die Kürbis-Ingwer-Suppe zum Mitnehmen, die kann gerne kalt sein, die wollen die später essen. Und das Birchermüsli ist schon
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