Fuer immer 2 - die Liebe
sie sie für ein kleines Flittchen hält, und nicht, weil sie denkt, sie wäre irgendwie gefährlich.
»Du kennst Griffon von früher?«, frage ich.
»Ja, aus Italien«, sagt sie. »Damals hatte er gerade seine ersten Erinnerungen. Das war Mitte des 17 . Jahrhunderts.«
Ich werfe Drew einen kurzen Blick zu. Wo und wie Griffon und ich uns früher schon mal begegnet sind, habe ich ihm bisher nicht erzählt, aber ich frage mich, ob er es vielleicht ahnt.
»Ich habe auch mal in Italien gelebt«, sage ich auf Italienisch, »aber später, Ende des 19 . Jahrhunderts.« Ohne zu zögern, schaltet sie auch auf Italienisch um. »Ist er verheiratet? Hat er Kinder?«
Ich muss grinsen. »Er ist erst siebzehn. Nein, ich glaube, er hat keine Kinder.«
»Ach so, ja. Manchmal gerät man bei all den Leben einfach durcheinander.« Sie mustert mich von oben bis unten, bis ich mir schließlich ziemlich nackt vorkomme. »Dann seid ihr beide ungefähr im gleichen Alter«, stellt sie fest. »Seid ihr ein Paar?«
Ich fühle, wie mir die Röte die Wangen hochkriecht. »Ich … äh … ja, wir waren eine Weile zusammen«, bringe ich schließlich raus.
Versonnen richtet sie den Blick in die Ferne. »Damals war er ein wundervoller Liebhaber und absolut treu«, schwärmt sie. »Bestimmt ist er das immer noch.«
Ein wundervoller Liebhaber
? Ich sehe sie entgeistert an und frage mich, wie man wohl drauf sein muss, um so etwas vor allen Leuten lauthals rauszuposaunen.
»Aber auch sehr nachtragend«, fährt sie fort. Dann zögert sie kurz. »Bitte sag ihm doch einen Gruß von Chiara, wenn du ihn das nächste Mal siehst.«
»Klar, kein Problem.«
Den Teufel werd ich tun.
»Ist doch immer wieder interessant, zu entdecken, wer wen von früher kennt«, sagt Drew ein wenig steif. Ihm scheint das Ganze ein bisschen unangenehm zu sein. Er schaut hinüber zu der langen Tafel, auf der sich inzwischen die Delikatessen nur so türmen. »Ah, ich glaube, die Caterer sind so weit.«
Erst als wir schon fast am Buffet angelangt sind, wird mir bewusst, dass auch er Italienisch gesprochen hat.
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24
»… und dann sieht sie mich plötzlich an und fragt: ›Kenne ich Sie nicht irgendwoher?‹, und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich darauf antworten soll!« Schallendes Gelächter begleitet die Pointe von Sonias Anekdote.
Inzwischen sind die benutzten Teller wie von Zauberhand von Tischen und Sessellehnen verschwunden und die Gäste sitzen in mehreren Grüppchen über das Apartment verteilt. Zum ersten Mal an diesem Abend ist Drew nicht an meiner Seite, aber er schaut dennoch immer wieder zu mir herüber, um sicherzugehen, dass ich nicht allein irgendwo hocke. Bisher habe ich nur kleinere Geheimnisse erspüren können, wie zum Beispiel die Antipathie zwischen Sonia und Chiara, doch nicht im Entferntesten etwas, das den Sekhem interessieren könnte.
Als der Mann neben mir auf dem Sofa sich umdreht und mit der Frau rechts von ihm ein Gespräch beginnt, beschließe ich, die Gelegenheit zu nutzen und ihn kurz zu scannen. Vielleicht weiß er ja etwas über Veronique. Doch als ich vorsichtig meine Hand wie zufällig in die Nähe seines Rückens lege, spüre ich plötzlich den vertrauten Sog und werde unvermittelt in eine meiner eigenen Erinnerungen hineingezogen.
Im frühen Morgenlicht liegt kalter Nebel dicht über dem Boden. Ich fröstele und schlinge die Decke noch enger um meine Schultern. Auf dem Weg zurück zu unserer Hütte stoße ich immer wieder mit Nachbarn zusammen, die in alle Richtungen durch die Gassen eilen. Mein Herz klopft bis zum Hals, als ich unter all den bekannten Gesichtern nach dem einen suche – vergeblich. Ich öffne die schwere Holztür zu unserer Hütte und schöpfe für einen kurzen Moment wieder Hoffnung, doch dort drinnen ist niemand mehr außer Mama.
»Schnell, Kind, wir sind beinahe die Letzten, die meisten haben sich bereits auf den Weg gemacht.« Während sie spricht, stopft sie hastig noch dies und jenes in eine große Holztruhe. »Dein Vater ist draußen und belädt den Wagen mit Vorräten für die Reise. Elias hat gesagt, dass die Armee stündlich näher rückt und dass sie alles in Brand stecken werden, was wir hier zurücklassen.«
Ich schaue mich in der Hütte um, die seit meiner Geburt mein Zuhause gewesen ist, in der ich jeden noch so kleinen Riss im Lehm zwischen den Holzbalken kenne. Ich betrachte die schmale Pritsche, auf der ich geschlafen habe, seit ich groß genug für ein eigenes Bett
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