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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Henry
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wurde ganz heiß vor Scham.
    Fiona stand auf. Sie musste sich die Zähne putzen. Sie putzte und putzte, um alle Spuren seines Speichels wegzubekommen. Es war fünf Uhr morgens.
    In eine Decke gewickelt setzte sie sich vor der Hütte in einen Liegestuhl und betrachtete die Morgendämmerung. Sie brauchte Hilfe. Sie brauchte einen Priester. Sie brauchte eine Teufelsaustreibung. Sie war eine miserable Ehefrau und Mutter. Alle wären besser dran ohne sie!
    Würde das, was an jenem Nachmittag passiert war, sie denn bis in ihr Grab verfolgen? Oder gab es einen Ausweg? Fiona war doch kein schlechter Mensch. Ganz sicher nicht. Sie hatte nie jemandem wissentlich geschadet. Sie hatte diese nie enden wollende Strafe nicht verdient!
    Mit dem Handrücken wischte sie sich ein paar Tränen ab, aber sie ließen sich nicht aufhalten, und schließlich schluchzte sie hemmungslos. Als der Weinkrampf nachließ, legte sie die Hände vors Gesicht und atmete tief ein, um sich zu beruhigen.
    Sie hatte den absoluten Tiefpunkt erreicht. Innerhalb einer Woche hatte sie ihr Auto zu Schrott gefahren, mit einem Fremden geschlafen, wahrscheinlich ihren Ehemann verloren und ihre Kinder möglicherweise obendrein. Tiefer konnte sie nicht sinken. Sie hatte alles gehabt, aber jetzt lag eine Zukunft vor ihr, die so trostlos war, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte. Wo sollte sie nur hin? In der Hütte konnte sie jedenfalls nicht bleiben – ihr Schwager würde über kurz oder lang auftauchen, um hier Ferien zu machen. Wo sollte sie hin? Und wovon sollte sie leben? Tim hatte von einer Wohnung gesprochen. Wie sollte sie denn eine finden? Würde er die Miete bezahlen? Er würde sich wahrscheinlich sagen, dass das Geld hervorragend angelegt wäre, wenn er sie dafür los war.
    Dann sah sie plötzlich die Lösung vor sich. Tim war schließlich ihr Ehemann. Er würde Verantwortung übernehmen müssen für den Zustand ihrer Ehe! Es war ein Leichtes, ihr die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben, denn schließlich hatte er ja nur dagestanden und den Unfall geschehen lassen, wörtlich und im übertragenen Sinne. Er musste ihr helfen.
    Aber zuerst musste sie ihn darum bitten. Wahrscheinlich fragte er sich schon seit Jahren, womit er eine Alkoholikerin als Frau verdient hatte. Woher sollte er auch wissen, was mit ihr los war, wenn sie ihm nie ein Wort gesagt hatte? Wenn sie ihm alles erzählte, würde er ihr helfen müssen. Ging es nicht genau darum in einer Ehe? In guten wie in schlechten Zeiten? Er war ihre einzige Hoffnung. Wenn Tim ihr riet, zur Polizei zu gehen, dann würde sie es tun. Egal, was Tracey sagte. Diesmal ging es nicht um Tracey – diesmal ging es um sie, Fiona, die versuchte zu retten, was zu retten war.
    Sie lehnte sich zurück und überlegte, ob das wirklich eine kluge Entscheidung war. Aber was hatte sie schon zu verlieren? Noch schlechter als jetzt konnte Tim nicht von ihr denken. Langsam stand sie auf. Sie fühlte sich fast wie in Trance. Es gab einen Silberstreifen am Horizont.
    Sie kramte in der Handtasche nach ihrem Handy und rief zu Hause an. Es war halb sechs am Morgen, aber das war ihr egal.
    Nach dem dritten Klingeln nahm er ab. Er klang alarmiert, besorgt.
    »Hallo?«
    Fiona schloss die Augen. Einen Augenblick lang sah sie wieder das Geländer vor sich und den jungen Mädchenkörper, der auf dem kalten Steinfußboden lag. Vielleicht, mit einem bisschen Hilfe, würde die Leiche ja beim nächsten Mal, wenn sie hinsah, nicht mehr dort liegen.
    »Tim? Ich bin’s, Fiona. Ich brauche deine Hilfe. Ich muss dir etwas erzählen. Ich möchte nur, dass du mir zuhörst.«

4
    Meeresblick
    Hipp, hipp, hurra, dachte Chrissie Milton, als sie die Nachricht erhielt. Am liebsten hätte sie die Schuhe von sich geworfen und wäre mit den Armen wedelnd über den Sand gesprungen. Doch natürlich tat sie es nicht, sondern setzte eine ernste Miene auf und murmelte ihre Anteilnahme.
    Man hätte wirklich meinen können, es wäre schon wieder jemand gestorben, bei dem Theater, das sie alle machten. Dabei ging es nur um eine alte Strandhütte! Gut, der schöne Blick – aber der war doch keine hunderttausend wert, selbst wenn man das Geld dafür hatte. Ihr Geld jedenfalls war ihr dafür zu schade.
    Es war das erste Familienfest der Miltons in diesem Sommer und Janes Geburtstag, das Fest, mit dem die Everdene-Saison eingeläutet wurde und zu dem sich der ganze Clan versammelte. Es begann mit einem Sektpicknick am Strand, gefolgt von einem Abendessen im

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