Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
legendäres Brathähnchen mit Pommes frites, während die Erwachsenen à la carte speisten. Das Essen war gut, und trotz oder vielleicht gerade wegen Grahams Abwesenheit war die Stimmung aufgeräumt, angeheizt von reichlich Kir Royal.
Nach der tarte au chocolat ging Chrissie auf die Terrasse, um eine Zigarette zu rauchen, und war nicht überrascht, als Philip sich mit einer Cohiba zu ihr gesellte. Sie setzten sich auf eine Bank neben dem Heizpilz, der für die Raucher aufgestellt worden war – als Französin hatte Martine Verständnis für das Laster.
Philip war betrunken. Vier Kir Royal, reichlich Rotwein, und ein doppelter Calvados, den er in der rechten Hand hielt. Chrissie war auch schon mehr als entspannt, befand sich jedoch noch nicht in der Gefahrenzone.
»Tja«, sagte Philip, während er den intensiv duftenden Rauch der Zigarre ausblies. »Mums Ankündigung war ein ganz schöner Schlag, was?«
»Ganz so überraschend aber auch wieder nicht. Wenn man bedenkt, in welchem Schlamassel euer Vater sie zurückgelassen hat. Die Hütte zu verkaufen ist das Beste, was sie tun kann.« Chrissie wusste, dass sie ziemlich forsch klang, aber sie wollte von nun an Klartext reden.
Philip wandte sich ihr zu und sah sie an. Sein Lächeln war eher ein süffisantes Grinsen. Er konnte nie lächeln, ohne blasiert zu wirken, denn er hielt sich tatsächlich für etwas Besseres. Wenn David mit gutem Aussehen gesegnet war, dann hatte Philip die Intelligenz abbekommen. Er hatte in Oxford studiert und war Professor für englische Literatur an einer Universität in den Midlands. Viel Renommee, viele Speichellecker, aber nicht viel Geld. Und davon musste er auch noch die hohen Internatskosten seiner Kinder aufbringen. Philip und Serena hielten nichts vom staatlichen Schulsystem. Um ihrem Nachwuchs den bestmöglichen Start ins Leben zu verschaffen, schickten sie ihn auf eine extrem teure Privatschule. Es war Chrissie absolut schleierhaft, womit die beiden sich diese exorbitanten Ausgaben, die mindestens die Hälfte von Philips Einkommen verschlangen, wohl schönredeten. Philips ältester Sohn Harry war der totale Überflieger, er würde an jeder Uni der Welt einen Studienplatz bekommen, egal auf welche Schule er gegangen war, davon war Chrissie fest überzeugt.
Philip ließ den Calvados in seinem Glas kreisen und wechselte das Thema.
»Du weißt, dass ich dich schon immer bewundert habe, Chrissie.«
»Ach ja? Na, das hast du aber gut verborgen.«
»Wir beide sind Siegertypen, du und ich. Wir haben eine Menge gemeinsam.«
»Wirklich?«
»Antrieb. Ehrgeiz. Leistungswillen.«
»Mag sein«, räumte Chrissie ein, auch wenn sich der Antrieb in Philips Fall garantiert nur auf sein Ego bezog. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er auf dem Campus herumstolzierte und sich einbildete, er sei der Schwarm seiner Studentinnen. Wie er sich vor jedem Seminar im Spiegel vergewisserte, dass seine Krawatte locker genug gebunden und sein Haar gerade genug zerzaust war.
»Ach komm schon, Chrissie! Tu doch nicht so, als würdest du das nicht genauso spüren wie ich.« Er nahm die Zigarre in die rechte Hand, mit der er auch das Glas hielt, und legte die andere Hand auf ihre Taille.
»Sorry, aber ich spüre da rein gar nichts, Phil. Wir beide sind uns doch noch nie grün gewesen.« Chrissie wusste, dass er es nicht ausstehen konnte, Phil genannt zu werden.
»Ja, aber das war doch bloß Tarnung, oder?« Er streichelte ihre Hüfte und ließ seine Hand in Richtung ihrer Brüste gleiten.
»Wenn du mir an die Titten gehst, war es das Letzte, was du in deinem Leben getan hast.«
Er zog einen Flunsch und nahm die Hand weg. Dann legte er den Kopf schief und sah ihr in die Augen. »Wenn Mum die Hütte verkauft, werden wir uns gar nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, ob ich das ertragen kann, Chrissie. Der Gedanke an unsere netten gemeinsamen Sommer hat mich immer aufrecht gehalten.«
»Ich dachte, du und Serena wärt richtig glücklich?«
Er schnippte die Asche von seiner Zigarre. »Na ja, oberflächlich betrachtet kommen wir ganz gut miteinander aus, aber … Die Leidenschaft fehlt.« Er warf ihr einen Blick zu, der vermutlich sinnlich sein sollte. »Ich kann mich nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal Sex hatten.«
»Gott, wie schrecklich! Und das, wo du doch so ein heiß blütiger Typ bist. Das muss ja wirklich ein hartes Schicksal sein! Es sei denn, du suchst dir anderweitig Abwechs lung …?«
Schon wieder dieses nervtötende Grinsen. Er
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