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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Henry
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sich auch schon mit Zweifeln, fürchtete nichts so sehr, wie seine Niedergeschlagenheit zu erleben, falls der Pokal einmal an jemand anders gehen sollte.
    Der Sandburgenwettbewerb von Everdene wurde jedes Jahr zu einem immer größeren Ereignis, und das Preisgeld war beträchtlich. Die Leute kamen aus dem ganzen Land, um an dem Turnier teilzunehmen. Manche wurden sogar von Firmen gesponsert, damit sie deren Logos auf ihren Burgen platzierten. Dieses Jahr wollte ein Kamerateam des örtlichen Fernsehsenders den Wettbewerb filmen; es hieß, es sei eine ganze Sendung geplant. Es sollte Imbissstände, Getränkebuden und ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm geben. Was einmal als Spaß am Strand angefangen hatte, war zu einem richtigen Geschäft geworden.
    Janet umklammerte das Verandageländer, als sie ihren Sohn mit zwei Eimern voll Wasser den Strand heraufkommen sah. Wasser war beim Bau einer Sandburg so wichtig wie der Sand. Die Feuchtigkeit hielt die Konstruktion zusammen. Janet sah zu, wie Alan das Wasser vorsichtig über seinen Grundriss schüttete und dann mit dem Sand vermischte, bis er die richtige Konsistenz hatte. Das Ganze war genauso Wissenschaft wie Kunst.
    Im Laufe der Jahre hatten viele versucht, Alan zu charakterisieren. Simpel, fand Janet, war dabei der beste Ausdruck gewesen. Simpel bedeutete einfach. Simpel bedeutete direkt. Und für Janet war Alan genau das. Es hatte eine Menge Worte gegeben, und nicht nur freundliche. Zurückgeblieben. Nicht ganz dicht. Behindert. Geisteskrank. Anstrengend. Heute würde man sagen »ein Kind mit besonderen Bedürfnissen«. Eine konkrete Diagnose hatte sie nie bekommen.
    Sauerstoffmangel bei der Geburt, hatte es geheißen. Schon während der Wehen hatte sie gespürt, dass etwas nicht stimm te. Vielleicht war es der Mutterinstinkt gewesen. Die Schmer zen waren unnatürlich stark gewesen, und sie hatte regelrecht gespürt, wie sich das Kind in ihrem Bauch gekrümmt und gewunden hatte. Als sie ihre Befürchtungen geäußert hatte, hatte die Hebamme sie angefahren, sie solle sich nicht so anstellen, eine Geburt sei nun mal eine schmerzhafte Angelegenheit.
    Heutzutage konnte man den Fötus auf einem Monitor beobachten. Wenn es das damals schon gegeben hätte, dann hätte man gesehen, dass sich die Nabelschnur um Alans Hals gewickelt hatte. Dass ihr Kind Qualen litt. Dann hät ten die Ärzte die notwendigen Maßnahmen ergriffen, anstatt Janet stundenlang verrückt vor Angst in den Wehen liegen zu lassen, bis ihr Kind endlich zur Welt kam.
    Ihr schönes, wunderbares, versehrtes Kind.
    Zunächst hatte niemand bemerkt, dass dem Kleinen etwas fehlte. Oberflächlich betrachtet war er ein rundum gesundes Baby gewesen. Aber als er sich nicht altersgemäß entwickelte, wurde seine Behinderung augenfällig. Die Ursache, so erklärte man ihr, sei die komplizierte Geburt gewesen. Doch Janet liebte ihren Sohn, wie noch nie eine Mutter ihr Kind geliebt hatte.
    Nicht ein Mal beklagte sie sich über ihre Situation. Sie würde sich ihr Leben lang um Alan kümmern müssen, und sie fügte sich klaglos in ihr Schicksal. Es hatte ewig gedauert, bis er keine Windeln mehr brauchte, und er hatte nur sehr langsam sprechen und mit Messer und Gabel umzugehen gelernt. Aber nichts konnte Janet entmutigen. Sie hatte eine Engelsgeduld mit Alan, und am Ende gelang ihm auch immer alles, was sie ganz besonders stolz auf ihn machte.
    Leider war ihr Mann ganz anders. Er hatte keine Geduld mit dem Kleinen, schrie ihn an, wenn er zu langsam reagierte oder etwas nicht richtig machte. Irgendwann hatte Janet seine verächtlichen und angewiderten Blicke nicht mehr ertragen und ihm gesagt, er solle gehen. Ohne ihn wären sie besser dran. Alan konnte keinen Vater gebrauchen, der ihm dauernd im Nacken saß und ihn heruntermachte. Er brauchte Liebe und Unterstützung, nicht schlecht verhüllte Ableh nung. Sie hatte ihren Mann nicht zweimal zu bitten brauchen.
    Seit dreißig Jahren lebten sie nun allein. Natürlich war es nicht leicht. Janet war alleinerziehende Mutter mit einem behinderten Kind. Alans Vater fühlte sich nicht verpflichtet, seinem Sohn irgendeine Form der Unterstützung zukommen zu lassen, und Janet forderte sie auch nicht ein. Sie kam auch so zurecht. Sie opferte sich vollkommen auf für ihren Sohn, und wehe dem, der andeutete, sie brauche mal eine Auszeit. Wieso sollte sie auch eine Auszeit von dem Menschen brauchen, der der Sinn ihres Lebens war?
    Als er Anfang zwanzig war, schlug das Sozialamt

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