Fuer immer du
tastete ich ihn ab. Hatten sich meine Kindheitserinnerungen in meinen Traum von Adrian gestohlen?
»Nur ein paar Tage, dann geht es ihr wieder gut«, sagte Adrian und riss mich aus meinen Überlegungen.
»Danke. Ich werde meinem Opa Bescheid geben, damit er euch Futter und Einstreu bringt.«
Adrian schloss die Tür der Box hinter sich. »Das geht schon in Ordnung. Ich habe ausreichend da. In ein paar Tagen zieht mein Pferd hier ein.«
»Wirklich?«
»Ein Araber.« Das erste Mal, seit ich Adrian kennengelernt hatte, sah ich ihn jetzt lächeln.
»Katie steht auf Araber«, sagte ich und Blut schoss mir ins Gesicht, als mir bewusst wurde, was ich da gesagt hatte.
»Wir schauen uns morgen dein Dach an. Du solltest jetzt gehen.«
Ich nickte ein wenig enttäuscht. Gerade hatte ich das Gefühl, er würde endlich etwas auftauen. Morgen ist auch noch ein Tag, sagte ich mir dann aber. Und Übermorgen. Und Überübermorgen. Und an allen drei Tagen würden meine Eltern nicht da sein.
Meine Großmutter war eine Frau, die viel jünger wirkte, als sie es wirklich war. Sie war nicht besonders groß, schlank und trug ihr blondiertes Haar bis auf die Schultern. Bevor sie in Rente gegangen war, war sie Redakteurin einer kleinen Lokalen Zeitung. Jetzt schrieb sie Kriminalromane mit regionalem Bezug.
Sie war eine prima Geschichtenerzählerin , und die freundlichste Person, die ich kannte. Während wir in der Küche am Tisch saßen und warmen Kakao tranken, warteten wir auf meinen Opa, der noch immer an seinem Traktor herumhantierte.
Bevor ich nach Hause gehen würde, wollte ich ihnen wenigstens Bescheid geben, dass wir Katie gefunden hatten und, dass sie bei Adrian im Stall bleiben würde, bis unser Dach wieder repariert war. Eigentlich war es mir fast unangenehm ihnen zu erzählen, dass ich Katie bei Fremden, statt bei ihnen untergestellt hatte. Aber meine Großeltern hörten mir kaum wirklich zu. Sie warteten auf den Tierarzt aus der Nachbargemeinde. Eine ihrer Kühe hatte Wehen, aber die Geburt lief scheinbar nicht so, wie sie sollte.
Oma trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Was für ein Wetter. So was hatten wir hier schon lange nicht mehr. Hoffentlich kommt der Arzt bald. Nicht auszudenken, wenn die Straße gesperrt ist.« Sie nippte an ihrem Tee und starrte auf die kiefernfarbene Küchentür, als würde der Tierarzt dadurch schneller kommen. »Willst du mir gar nicht erzählen, wer der junge Mann war, der dich begleitet hat?«
»Sam« , sagte ich knapp und senkte meinen Blick verschämt auf die Tasse in meinen Händen. »Er wohnt drüben in der Marienhöhe.«
» Ah, dieser Sam also. Dein Opa hat mir von ihm erzählt.« Meine Großmutter grinste mich breit an. »Er meinte, der Junge habe ihn über dich ausgefragt.«
Ich verschluckte mich an meinem Kakao und prustete den Inhalt meines Mundes über den halben Tisch.
»Ich sehe, das Interesse beruht auf Gegenseitigkeit«, sagte meine Oma und lachte. Sie reichte mir eins der Papiertücher, die sie immer in ihrer Schürze trug, um jedem Fleck, dem sie im Haus begegnete gleich zu Leibe rücken zu können, und tätschelte mir dann die Hand. Ihre grauen Augen leuchteten, als sie sagte: »Ich hoffe, er ist wirklich nett.«
Wahrscheinlich netter als A drian, dachte ich, wischte den Gedanken aber gleich wieder weg. Immerhin war Adrian vorhin für seine Verhältnisse ausgesprochen freundlich gewesen.
Die Tür zum Haus meiner Großeltern sta nd immer offen. So war das nun Mal auf dem Dorf. Hier war jeder ein Teil einer großen Familie und immer und überall willkommen. Also konnte auch der Tierarzt hereinkommen, ohne eingelassen zu werden. Der alte Mann, der längst hätte im Ruhestand sein müssen, trat mit schweren Schritten in die Küche ein, ging zielstrebig auf den Tisch zu und klopfte mit den Fingerknöcheln auf das Holz, wie man es in Kneipen zu tun pflegte. Ich konnte das nicht bestätigen, aber mein Großvater, der sich an jedem Wochenende zum Schafskopfklopfen in der Schenke unten im Dorf traf, hatte mir das einmal so erklärt.
Ich verkniff es mir, zurück zu k lopfen, da ich das albern fand, und begrüßte den Dorftierarzt mit einem »Guten Abend«.
»Der Kuh geht es gut . Dem Kalb auch. Lag nicht ganz so, wie es sollte«, brummte er. Seine Stiefel waren von oben bis unten mit Mist und Schlamm beschmiert. Er roch nach Kuhstall. Aber diesen Geruch empfand ich nicht als unangenehm. Ich war damit aufgewachsen. Und jetzt, wo er sich in der kleinen
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