Fuer immer du
fünfzig, leicht untersetzt und seine dunkelblonden Haare waren licht. Wenn ich ehrlich war, mich interessierte der Religionsunterricht überhaupt nicht. Ich saß nur hier, weil er Pflicht an dieser Schule war. Und den vielen Privatgesprächen nach zu urteilen, die in jeder Stunde gehalten wurden, war ich nicht die Einzige, die absolut nichts mit diesem Kurs anfangen konnte. Ich seufzte und versuchte mir irgendwas aus dem zusammenzureimen, was Pfarrer Brunner gesagt hatte.
»Ich denke, es geht darum, dass die Engel unter den Menschen wandeln werden und die Spreu vom Weizen trennen werden. Also, Gut von Böse. Sünder von Nichtsünder.«
Der Pfarrer murmelte etwas, das wohl nicht für die Klasse bestimmt war, wandte sich von mir ab und nahm die Bibel wieder zur Hand. »Denn es wird geschehen, dass der Menschensohn kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun.«
»Ich hasse diesen Mist«, murmelte Jenny und rollte mit den Augen. »In den Himmel kommen wir sowieso nicht. Der Zug ist abgefahren.« Sie kicherte und ich musste ihr zustimmen.
»Wahrscheinlich wäre es ohnehin ziemlich langweilig da oben«, flüsterte ich.
»Ich kann mir auch vorstellen, dass die andere Mannschaft viel heißer ist«, meinte Mel und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.
»Wo willst du denn hin?«, wollte meine Mutter wissen, als ich am Garten vorbeilief. Sie kniete vor einem Blumenbeet und zupfte Unkraut. Sie hatte dem Garten gleich nach unserem Einzug den Kampf angesagt, denn von einer idyllischen Atmosphäre war diese Wildlandschaft weit entfernt. Über die Jahre in denen das Haus leer stand, hatte sich die Natur diesen Flecken Erde zurückerobert. Und was die Natur nicht mehr für sich beanspruchte, das hatten die Bauarbeiten in eine erdige Hügellandschaft verwandelt. Weit war meine Mutter bisher nicht gekommen, zumindest eines der Beete direkt am Gartenzaun hatte sie bisher freigelegt und mit Blumen bepflanzt. Ausgerechnet vor diesem kniete sie jetzt und sah mich fragend an. Konnte ich denn nirgendwo hingehen, ohne dass sie es mitbekam?
»Ich wollte Katie von der Marienhöhe holen. Der Stall ist repariert. Darf ich denn jetzt nirgends mehr hin, ohne dir Rechenschaft ablegen zu müssen?«, schimpfte ich und blieb auf der anderen Seite des weißen Lattenzauns stehen. Meine Mutter erhob sich, wischte sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn und hinterließ eine schwarze Schmutzspur.
»Tut mir leid«, sagte sie und versuchte sich an einem Lächeln. »Hör zu, du bist alt genug. Ich weiß, ich hab es in den letzten Monaten etwas übertrieben.«
»Wie kommst du denn da drauf?«, sagte ich ironisch.
»Es war falsch, dass ich versucht habe, dich zu kontrollieren. Aber du hast es mir auch nicht gerade leicht gemacht. Ich hatte Angst um dich.« Sie machte einen Schritt auf das eben frisch hergerichtete Beet und trat an den Zaun.
»Angst? Wovor? Zu bemerk en, dass es außer deinem neuen Mann und deinen Schülern noch mehr Menschen in deinem Leben gibt?«
Sie kniff die Lippen zusammen und zog die Stirn kraus. » Ich weiß, ich habe mich zu wenig um euch gekümmert. Aber du musst auch verstehen, dass ich einen Job habe.« Sie seufzte. Wahrscheinlich dachte sie gerade daran, dass sie diesen Job die längste Zeit gehabt hatte, dank mir. »Ich hatte Angst, dich auch noch zu verlieren. Ich weiß, dass das mit Tom auch meine Schuld ist. Aber ihr beide seid auch alt genug, um zu verstehen, dass ich nicht nur Mutter bin. Ich bin auch Frau und als diese habe ich manchmal auch das Bedürfnis nach Nähe. Euer Vater hat mich verlassen, hätte ich denn für immer allein bleiben sollen?« Sie sah mich ernst an.
Sie das so sagen zu hören, fiel mir nicht leicht, weil ich in dem Moment, wo sie es sagte wusste, dass mein Verhalten, und auch das meines Bruders, egoistisch war. Natürlich wäre es unfair von uns gewesen, von ihr zu verlangen für immer Single zu bleiben.
»Ja, das war nicht fair von uns. Aber du warst auch nicht fair«, sagte ich und versuchte, den Kloß in meinem Hals zu überspielen. »Wäre es so schlimm gewesen, nur ein wenig deiner Zeit mit mir zu verbringen? Nachdem Tom weg war, war ich ganz allein. Ich hatte nur noch Dave und die Jungs aus dem Haus. Und die wolltest du mir auch noch verbieten«, warf ich ihr vor. »Dann hätte ich niemanden mehr gehabt!« Noch schlimmer hatte sie die Situation für mich gemacht, als sie sagte, wir würden nach
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