Fuer immer Ella und Micha
steuert auf das Ende der Straße zu, das von einem gigantischen Schneeberg versperrt wird. Ich schließe die Augen und warte. Natürlich weiß ich, was kommt, denn das passiert jedes Mal.
»Alle festhalten!«, befiehlt Micha, ehe er die Handbremse anzieht.
Der Wagen schert unkontrolliert aus und dreht sich wie ein Karussell. Da ich die Augen geschlossen habe, fühlt es sich an, als würde ich fliegen. Mir ist danach, die Arme auszubreiten und in der Freiheit zu baden. Wenige Momente später fährt der Wagen in die Schneewehe, und durch den Aufprall fliege ich nun richtig. Ich lande auf Micha und knalle mit meinem Kopf gegen seinen, als das Auto ruckartig zum Stehen kommt.
»Oh, du Scheiße!«, stöhnt Ethan. »Verflucht. Lila, alles okay?«
»Mir geht es gut«, antwortet sie hörbar verängstigt. »Aber wieso hat mich keiner gewarnt?«
Ich sehe in Michas blaue Augen. »Hi.«
»Alles in Ordnung?« Vorsichtig berührt er meinen Kopf mit den Fingerspitzen. »Das hat ganz schön geknallt.«
Ich presse meinen Handballen an meine Stirn. »Das hast du doch mit Absicht gemacht, damit ich auf deinem Schoß lande.«
»Vielleicht ein bisschen.« Er beugt sich vor, küsst mich und saugt meine Unterlippe ein, ehe er mich wieder freigibt. Mir ist sehr heiß. »Eigentlich wollte ich hübsch hineinschleudern, dann habe ich in letzter Sekunde gedrosselt und die Bremse nicht schnell genug gezogen.«
Ich will mich wieder aufsetzen, aber er hält mich zurück, indem er seine Hand auf meine Brust legt. »Bleib ruhig noch ein bisschen so. Ich habe dich ganz gerne dort.«
Mein Kopf liegt auf seinem Schoß, und ich ahne, warum ihm das gefällt. »Ernsthaft? Sogar in dieser Situation?«
Seine Augen funkeln begeistert. »O ja.«
»Hört alle beide verdammt noch mal mit dem Scheiß auf«, schimpft Ethan auf der Rückbank. »Das nervt mächtig, und mir wird schon ganz schlecht davon.«
Micha küsst mich wieder und gibt ein übertriebenes Stöhnen von sich, um Ethan zu ärgern. Die Autotür hinter uns knallt zu, denn Ethan ist ausgestiegen. Nun hilft Micha mir, mich aufzusetzen.
»Bin gleich wieder da«, sagt er. »Ich muss das Abschleppseil aus dem Kofferraum holen.«
Sobald er aus dem Wagen ist, klettert Lila über die Mittelkonsole zu mir nach vorn. »Verstehe ich das richtig? Er rammt seinen Wagen in eine Schneewehe, bloß damit er ihn wieder rausschleppen kann?«
Ich drehe die Heizung auf die höchste Stufe. »Nein, er hat ihn in die Wehe gerammt, um seinem Vater zu demonstrieren, was er von der Reparatur hält.«
»Aber sein Vater ist nicht hier!«
»Tja, ist wohl auch mehr für ihn selbst.«
Sie begreift es nicht, und ich versuche gar nicht erst, es ihr zu erklären. Wenn Micha sich jetzt besser fühlt, bin ich froh. Er hat es verdient.
Ungefähr eine Stunde später ist der Wagen aus der Wehe befreit. Die Reifen hatten sich so tief in den Schnee gegraben, dass wir die Schneeschaufeln aus Ethans Truck holen mussten, um sie freizubekommen.
Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier draußen feststecken, daher haben wir längst gelernt, dass es sinnvoll ist, Schaufeln, Abschleppseile und Ketten mitzubringen. Denkt man nicht daran, ist der Heimweg zu Fuß bei klirrender Kälte wirklich kein Spaß.
Nachdem das Auto wieder auf dem flacheren Schnee ist, nimmt Micha das Abschleppseil ab, wickelt es auf und begutachtet stolz die Kratzer und Dellen an der vorderen Stoßstange.
»Ich fahre mit Ethan zurück«, sagt Lila und greift nach dem Türhebel.
»Warte, ich muss dich etwas fragen.« Zögernd drehe ich mich zu ihr. »Schläfst du mit Ethan?«
Sie macht große Augen und wickelt sich ihren Schal fester um. »Nein, wir sind bloß befreundet. Echt, Ella, ich schlafe doch nicht mit jedem!«
»Das ist es nicht. Ich meine nur – ihr scheint euch so nahe zu sein. Und, na ja, ich frage mich eben, was ihr macht, wenn ihr alleine seid.«
Sie stößt die Tür auf und steigt aus, ihre Füße versinken im Schnee, »Wir reden.«
Ich lehne mich hinüber. Mir ist schleierhaft, was die beiden gemeinsam haben könnten. »Worüber?«
»Das Leben.« Sie schließt die Tür, geht hinter den Wagen zu Ethans Truck, dessen Motor läuft, und steigt ein.
Eines Tages bringe ich sie dazu, mir zu beichten, was die zwei tun. Ich drehe die Musik auf und singe mit, während ich auf Micha warte. Als er die Tür öffnet, bläst eisiger Wind herein.
Er bückt sich ins Wageninnere. Seine Wangen sind rot von der Kälte, und Schneeflocken hängen in
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