Für immer, Emily (German Edition)
wünschte sich, er wäre da gewesen und hätte sie beschützen können. Aber all das konnte er nicht. Alles, was er konnte, war, sie jetzt zu halten und ihr zuzuhören. Er streichelte ihr Haar.
Emily verbarg ihr Gesicht an seiner Brust, als sie stockend weiter sprach. „Nein, ist schon okay. Ich schaff das schon.“
Niclas nickte und hielt sie fest.
„Ich hab auf Connor gewartet, aber er kam nicht. Er ging auch nicht an sein Handy, und dann habe ich mir gedacht, ich fahre mit dem Bus. Es war noch nicht sehr spät, das Wetter war gut und die meisten auf der Party waren nicht mehr ganz nüchtern, sodass ich niemanden fragen wollte, ob ich mitfahren könnte. Und meine Eltern wollte ich natürlich erst recht nicht stören an diesem Abend. Es waren doch auch nur ein paar Haltestellen, weißt du.“ Sie schniefte leise.
Niclas‘ fühlte sich unsagbar elend. Er nickte. „Ja, sicher. Ein paar Haltestellen.“
Sie nickte auch. „Ich bin also losgegangen und als der Bus kam, bin ich eingestiegen, um nach Hause zu fahren. Die Bushaltestelle liegt gar nicht weit von unserem Haus entfernt, wirklich nicht weit.“
Niclas fühlte ihr Herz an seiner Brust rasen, oder zumindest glaubte er, es zu spüren, und zog sie unwillkürlich näher an sich. Alle seine Sinne waren nun auf Emily ausgerichtet, er fühlte ihren Schmerz, als wäre es sein eigener, und seine Kehle wurde eng und trocken. Er hätte sonst was dafür gegeben, um ihr all die Schmerzen und die Qual zu ersparen, durch die sie nicht nur in dieser Nacht hatte gehen müssen, sondern seitdem an jedem einzelnen Tag.
Er schloss die Augen und hörte schweigend zu, als sie zwischen leisen Schluchzern weiter sprach: „Auf dem kurzen Wegstück zu unserem Haus kamen mir dann diese beiden jungen Männer entgegen. Sie lachten, und als sie an mir vorbeigingen, roch ich den Alkohol. Sie haben mir irgendwas nachgerufen, aber ich hab sie nicht verstanden und bin auch nicht stehen geblieben. Ich bin weitergelaufen und plötzlich hab ich Schritte hinter mir gehört. Ich hab mich umgedreht und gesehen, dass sie mir hinterherkommen. Und dann ... dann.“ Sie brach ab, heftiges Weinen schüttelte ihren Körper. Dann plötzlich löste sie sich abrupt aus Niclas‘ Armen und sprang auf. Tränen flossen in wahren Sturzbächen über ihr Gesicht, ihre Wangen hatten sich gerötet. Sie starrte Niclas an, dann stieß sie unvermittelt hervor: „Es ist nicht richtig. Ich kann nicht mit dir zusammen sein. Siehst du das nicht? Sie haben alles zerstört, was ich einmal war. Alle meine Träume und Hoffnungen. Wie kannst du mich lieben, nachdem was sie mit mir gemacht haben? Wie? Ich weiß ja nicht mal, ob ich jemals mit dir ... also ... oh Gott ...“ Sie brach ab und hob in einer solch hilflosen, verzweifelten Geste die Hände, dass Niclas selbst die Tränen in die Augen schossen, obwohl er doch unbedingt hatte stark bleiben wollen, für Emily. Sie starrte ihn immer noch mit weit aufgerissenen Augen an. Plötzlich jedoch krümmte sie sich wie unter heftigen Schmerzen zusammen und ein leichtes Stöhnen kam über ihre Lippen. Er war mit einem Satz neben ihr, bevor sie ihm in die Arme kippte. Kleine Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und ihr Atem ging heftig. Niclas hielt sie einen Moment, dann ließ er sie zu Boden gleiten und setzte sich hinter sie. „Emily, um Himmels willen, beruhige dich. Bitte, du musst dich beruhigen. Es ist alles gut. Es ist alles gut. Schhhh, mein Schatz, schhhh, beruhige dich.“ Er strich ihr sanft die Haare aus dem tränennassen Gesicht. Es war zuviel für sie, er hatte es befürchtet. Es war zuviel an Demütigung, und jetzt war ihm auch klar, warum sie es ihm unbedingt hatte erzählen wollen. Sie musste von ihm hören, dass er sie noch lieben konnte, wenn er alles wusste. Dass er sich nicht angewidert von ihr abwenden würde, denn davor schien sie schreckliche Angst zu haben. Er schlang beide Arme um sie, wiegte sie hin und her, küsste ihr Gesicht und ihre Haare und murmelte beruhigende Worte, während Emilys Körper von Weinkrämpfen geschüttelt wurde.
Irgendwann, Niclas hätte nicht sagen können, ob Stunden vergangen waren oder nur Minuten, beruhigte sie sich endlich wieder, und der eiserne Ring um seine Brust lockerte sich ein wenig. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Er erschrak über den Ausdruck in ihren Augen, als sie leise und erstickt flüsterte: „Sie waren so brutal, Niclas. So brutal. Sie hatten ein Klappmesser und hielten es mir an die Kehle, dann
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