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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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soweit sind und die letzte Tür ins Schloß fällt. Wie sagt ihr immer: Das Leben ist an die Lebendigen verschwendet. Nicht mehr lange. Ein Ende den Wucherungen, eine Rückkehr des alten Wahren: dafür arbeiten wir doch alle, oder? Für den deutschen Traum, dafür, daß er endlich standhält, allen Anfechtungen trotzen lernt, allen Intrigen der Leute, die eine Welt ohne Geheimnis erzwingen wollen, einen toten, bis ins Letzte ›aufgeklärten‹ Judenplaneten, der an nichts mehr glaubt, dessen Völker nichts mehr heiligen und als Ersatz für das, was da verlorengeht – die Weisheit der Toten nämlich –, dann irgendeinen Fantasy-Kitsch anbeten, älter als Ägypten, aber in Wirklichkeit bloß in New York ausgedacht.«
    Der Zombotiker antwortete nicht.
    Statt dessen ging er langsam, ohne noch einen Blick auf den gähnenden, mit den Fingern an seinen Westenknöpfen herumspielenden Dokter zu werfen, laut stampfend aus dem Zimmer.
    »Abgang Terminator. Auf zu neuen Taten«, freute sich Rainer Utzer, als die Tür ins Schloß fiel.
    2  Steifer Arm, steifer Hals, steife Brise: Das Kippfenster ließ kühle Luft in den Raum sinken wie Trockeneisnebel. Philip überlegte: Woher kenne ich das, diese Kollektion von Eindrücken – Krankenhaus, Bettlägerigkeit, das war doch irgendeins von diesen Büchern, die mich meine Frau immer zu lesen zwingen wollte. Deutschlehrerinnenkrempel: Seeräuber, Seebart, irgend so ein Name war das.
    »Seeteufel«, flüsterte Philip, und mußte grinsen, über dies schlappste bißchen Witz.
    Beim Grinsen taten allerdings Lippen und Kinn weh, auch die rechte Wange fühlte sich nicht gut an. Er lag wie hingeschweißt, wie festgefroren. Am Arm- und Beingips hingen stattliche Gewichte.
    Ich weiß, wo ich bin; im städtischen Krankenhaus in der Schwarzwaldstraße: Hier ist Jenny mal gelegen, und wir haben sie besucht, zu wie vielen? Ich weiß nicht mehr. Aber Rölfchen war dabei, und hat eine ganz rührende Blume mitgebracht, obwohl er ja angeblich nicht auf Jenny stand, »keinen Meter«, wie er immer gern betont hat, da sie nämlich nicht sein Typ wär’, na also.
    Sein Typ, darunter hatte man sich irgendwie was vorzustellen wie … ganz jung und niedlich. So frisch, daß die Stirn fast lackiert aussah, giftfreier Glanz der propren Jugend, hinter dessen absoluter Oberflächenreinheit aber wenn möglich schon ganz schön unordentliche Sachen vorgingen. Schön? Schön was?
    Schöninchen, genau. So hieß das, dieser Typus.
    Jenny hatte sich … was war das gewesen? Erkältet? Verkühlt? Was Absurdes: ach genau, im See … Sie war eingebrochen, ins Eis, im Winter. Wir waren sehr in Sorge gewesen, bei diesem Besuch. Andere aus der Klasse hatten wir auch dabei. Aus der b sogar. Richtig. Gab es auch eine Abordnung von den Jüngeren, aus der anderen a, an diesem Nachmittag?
    Svenja, Candela, Christof, Dietmar? Ich meine schon, bin bloß nicht sicher. Candela ist dann später mal … der ist was ganz Ähnliches passiert, am selben See. Komische Koinzidenzen, Konstellationen.
    Wie ging dieser Nachmittag? Als ob der Herr Proust, von dem die liebe Deutschlehrerin ja auch permanent gesabbelt hatte, wirklich den Schlüssel zur verschütteten Erinnerung gefunden hätte, mit seiner ­doofen Madeleine, fiel Philip jetzt vor allem Olfaktorisches ein: ­Kampfer­geruch, Antiseptisches.
    Das Licht hinterm Kippfenster strahlte zu grell. Es fiel ja auch nicht nur durch den gekippten Spalt rein, sondern natürlich durchs ganze restliche Fenster ebenfalls, weil das ja eben ein Fenster war. Was denke ich da eigentlich für einen Dreck? Das Hirn hat Hände, die tasten sich an der Wand der Situation lang, mit aber zu kurzen und zu dicken Wurstfingerchen, leider. Stummelchen stumm so stumpf.
    Seufzend fand sich Philip damit ab, daß man so einfache Sachen wie Wahrnehmung nach Vorfällen wie dem, den er überlebt hatte, erst wieder lernen mußte. Die Wände kamen ihm beige vor. Das Bett schien einigermaßen weich zu sein. Die Schmerzen taten ausschließlich weh, und das schon ganz gut, ganz deutlich, muß man sagen. Soweit die Wahrnehmung.
    Das andere, das mit dem Denken: Es ging fast gar nicht, sehr zäh jedenfalls. Eigentlich müßte ich tot sein, sagte sich Philip versuchsweise. Das überzeugte ihn nicht, obwohl er sich doch zumindest hätte freuen müssen, daß er nicht tot war. Die Nazis: das war’s. Die hatten mich in der Mangel. Die Tochter vom Riedler-Bäcker.
    Der Treff … die Leute … Was ist Andy passiert, und

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