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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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»vermitteln« gibt, sondern nur etwas zuzulassen –, weil sie zweitens den Holzboden nutzen (Plankenschwanken!), und weil sie drittens beweisen: Solange Krach ein Nebeneffekt menschlichen Tuns ist, dokumentiert er nur, daß bei diesem Tun Aggression eine Rolle spielt. Wird er aber zur Hauptsache, sind die Beteiligten von ihm so absorbiert, daß sie einander nichts Böses mehr wollen können – welche Freude!
    ( F.A.Z. vom 1. April 2003)
    Was außer Musik und ungeheurem Zombotiker- Aufl auf passiert ist?
    Stimmt etwas von dem, was Dir Deine fliegenden Gerüchteköche zugeworfen haben? Wollen mal so sagen: Die Architektur, das Ensemble der Maßverhältnisse des Ortes, an dem das Konzert stattfand, hat erzwungen, was passiert ist. Damit meine ich ganz Banales: Daß es neben den Boxen Seitenflügel zum Hinsitzen gab, daß die Zugänge zu den Klos von der Bar aus so gut einsehbar waren – Valerie, Sarah und Christine sind dahin verschwunden und haben sich einen Spaß draus gemacht, auf den Toiletten MTS einzuwerfen, auch E – die Drogen hat Sarah dabeigehabt, ich bin unschuldig, habe auch außer zwei Tablettchen E nichts konsumiert – und die minderjährigen Kokserinnen zu mimen, mit aufgekratztem Benehmen nach der Rückkehr vom Klo, häufigem Schniefen, entsprechenden Andeutungen, die von dem Umstehenden gehört wurden und so fort.
    Versteht man auch noch die Musik als Teil der Architektur, dann war es definitiv der Bau, was den Abend geformt hat: Die britisch-japanische Krachelektronik am Anfang als eine Art Gummizellenpolsterung, genau wie’s in dem Artikel steht, man konnte wirklich nicht umkippen in diesem Lärm – stell’s Dir bitte vor: der kleine Aufbau auf der Bühne, links und rechts als Klammern zwei Boxenwände, da sitzt dann der Tüftler oben an seinem Computer und gibt die Herztöne von Sauriern oder von Lovecrafts alten Göttern ein, die Körper der Lebenden und Zombotischen gingen auf wie Sauerteig, die Jeans der Mädchen wirkten plötzlich enger, die Hemdchen knapper, das Blut fing an, Herzen neu zu formatieren.
    Christina fand’s ja beim Betreten der Halle zu laut, überredete uns gestikulierend, noch mal kurz rauszugehen – aber da zückt Valerie aus ihrem Jäckchen-Brusttäschchen triumphierend eine Schachtel Schaumstoff-Ohrenschützer. Mind you: nicht einfach den alten Ohropax-Knautsch, den Du und ich noch kennen, und der ja schon eine enorme Neuerung war gegenüber den ganz alten Wachsdingern, sondern so orange Teile von, wie die Schachtel sagt: »Jill Miro«.
    Designer-Hörschaum, soweit ist es schon!
    Valerie wird mit jeder Minute, die diese Farce andauert, kapriziöser und delikater.
    Ich lebe an manchen Tagen schon exklusiv nur dafür, mit ihr einkaufen zu gehen, weil sie mich so schamlos ausnutzt, daß es Spaß macht – über H&M sind wir schon lang hinaus. Nicht, daß ich die Läden kennen würde, zu denen sie mich schleppt, nahe beim Nike-Palast und auf anderen Großeinkaufs-Avenuen der inneren Stadt, aber manche Joppen, Kettchen und Unterwäsche (auch da muß ich natürlich mit, sie redet mir erfolgreich ein, daß uns ja jemand sehen könnte und das ganz in meinem Sinne wäre) lehnt sie inzwischen explizit mit der Begründung ab, die wären ihr zu billig.
    Also werden die Designer-Ohrteile ausgegeben, und Valerie nimmt mich bei der Hand, zieht mich wieder rein ins Krachen. Auf einem der Ränge sah ich in dem Moment das erste Mal bewußt den Typen sitzen, von dem ich Dir oben schon erzählt habe. Wir gingen auf die Bühne.
    Und Valerie … ich weiß nicht, wie ich Dir realistisch schildern soll, was da passiert ist, ich kann nicht mal in der Vergangenheitsform davon schreiben, so präsent ist es mir: Sie wirft sich in den Lärm wie in eine Brandung, hält mich lachend bei der Hand, die beiden anderen Mädchen bleiben zurück, Arm in Arm – die haben mich in den restlichen drei Stunden noch oft genug umzingelt, Sarah fällt mir wenig später immer wieder aufgekratzt um den Hals, und Christina hat mir im Foyer, später, beim Rauchen, mehrfach den Arm von der Seite her um die Hüfte gelegt, von der anderen tat Valerie desgleichen.
    Zur Offenbarung zurück: Also die beiden Freundinnen bleiben hinten, gehen wohl auch auf die Ränge und setzen sich da hin, Valerie zerrt mich immer tiefer in die Geräuschflut, und dann, nach dem halben Set von Satanstornade, geschieht das, was man Dir offenbar so genüßlich berichtet hat: Valerie und ich bewegen uns nach links, zu einer Art Randpodest

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