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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Wahlsieg waren die ersten mythizinisch-experimentell erzeugten Wiedergänger hierorts noch, wie in so vielen ländlichen Regionen, eine kleine Plage gewesen. Daran erinnerte nichts mehr: Die verbesserten Toten hatten kräftig Fuß gefasst, Honoratioren mit Jenseitskenntnissen aus erster Hand waren nichts Exotisches mehr; wer wichtig genug schien, konnte heute auf eine zweite Chance hoffen, ohne dafür in römischen Katholizismus und ähnliche Pyramidentricks investieren zu müssen.
    Der Bürgermeister konnte sich also erlauben, schweigend an Utzers Fenster zu stehen.
    Seine Statur – 1,90 Meter nichts als Knochen, fettfreies Fleisch und Muskeln, karbonfaserverstärkt, plus Applikaturen, Metallplatten im Hals – rechts und links des Adamsapfels – und stabile Plastik-Schädelverschalung – war ein hinreichend beredtes Zeichen der Zeit. Der Dokter aber ließ sich nicht einschüchtern – wenn der Zombotiker schon mal erschien, um mit ihm etwas zu bereden, würde er sich schließlich doch auch dazu herablassen müssen, mit der Sprache rauszurücken. Utzer hatte Zeit und nicht vor, ihm irgendetwas aus der Nase zu popeln. Seit einer guten Viertelstunde gab der Dokter also, anstatt seinen Gast auszufragen, spöttisch deklamierend jüdische Gedichte von Rajzel Zychlinski zum besten: »Paß auf, den hier mag ich: ›A Neger is ajngeschlofn / ojf a gass …‹ Ach, was soll’s, ich les’ das auf deutsch vor, in der Übersetzung: ›Ein Neger ist eingeschlafen / an der Straße.‹ Ja, und dann, paß auf, geht es um die ›Lichter / der New Yorker Nacht / den Traum des Schwarzen, / älter als Ägypten.‹ Ist das nicht putzig? Und, Obacht: a Neger. Wo dürfte man das Wort heute denn noch drucken, es sei denn, der Text stammt halt vom Juden? Doll, dieser Kitsch: älter als Ägypten.«
    Utzer ließ sich geräuschvoller als nötig aufs Sofa am Schreibtisch fallen und warf das Gedichtbuch auf einen Stapel ganz ähnlicher Bücher, der neben der Sitzliege in bedenklicher Statik seit Wochen wuchs und wuchs.
    »Kulturgut! Ja, muß man alles lesen. Man will doch verstehen, was einem diese ganze ›moderne‹ Kultur eigentlich sagen will, diese komplett verjudete Kultur, mit anderen Worten. Populärer Kitsch ist offenbar der nötige Ersatz für Gemüt. So etwas haben sie nämlich nicht, weil sie …«
    »Ruhe«, brummte der Zombotiker. Der Dokter verstummte.
    »Du hast nicht geantwortet«, sagte der Bürgermeister dann. Er wandte den Kopf dabei keinen Millimeter in Richtung dessen, den er zurechtwies, sah einfach nur hinaus, auf die Dächer, die zerrupften Trauerweiden, den Berg, auf dem tiefblauer Waldschatten lag, schließlich empor, in den blauen hellen Himmel, als schätze er einen Feind ab: Wie groß ist Gott? Wo tritt man ihm am schlausten gegen’s Schienbein?
    »Worauf geantwortet?«
    »Du hast nicht gesagt, ob er aufgewacht ist. Ob er sich erkannt hat – als das, was er ist.«
    »Ach was, erkannt. Der Mann ist fertig. Durch«, winkte Utzer ab. Es sah aus, als verscheuche er besoffen durch die Luft kreisende Elfen, die ihm mit ihren blanken glänzenden Ärschen auf den Geist gingen. »Der hat sich so lange klein gemacht, so lange alles geschluckt … Ich meine, ernsthaft: er war Lehrer ! Wie tief kann einer von den Höhen runterpurzeln? Nein, da ist nichts mehr zu holen. Nur keine Angst vor Magister Knitterhase.«
    »Ganz kurz wurde es ziemlich hell«, insistierte der Zombotiker drohend.
    »Kurz, schnurz. Es war bloß … Ich meine, du hättest das sehen sollen: Astrid hat ihm so dermaßen die Visage poliert … daß sich da ein Fünkchen regt, bitteschön, das ist doch klar … Sie hat zu lange rumgespielt, das war der Fehler.«
    »Er hätte euch alle umbringen können.«
    »Das ist wahr.«
    Der Dokter nickte, geschäftsmäßig und sachlich schaute er dabei drein, und sagte: »Aber er hat uns nicht umgebracht. Wir leben noch – der beste Beweis dafür, daß er nicht aufgewacht sein kann. Außerdem liegt er, während wir uns hier zusammen deinen schweren Kopf machen, halbtot im Krankenhaus. Das hätte er gewiß nicht nötig, wenn …«
    »Also war’s nur die physische Not. Schmerzen, Todesgefahr«, grübelte der Zombotiker halblaut.
    »Ganz sicher. Unbedingt. Wenn man im Traum fast gefressen wird, sucht man ja auch instinkthaft den Weg zurück in den Wachzustand.«
    »Es gibt solche Wege noch. Wir haben nicht alle blockiert.«
    »Ebenfalls wahr. Noch nicht. Aber hier, im Städtchen, wird sich nichts ereignen, bis wir

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