Für immer in Honig
Fette, und wie geht es, na, Dingens … dieser Schlagersängerin mit dem Hirnschlag oder Herzanfall oder was das war? Ich: habe ich mich geschlagen, aber wacker – was ist das jetzt für ein debiler Einfall? Aber es stimmt. Habe ich ja wirklich. Es denen gezeigt. Was genau aber gezeigt?
Die Mineralwasserflasche neben der Plastik-Schnabeltasse loderte waldgrün, als ob eine Flamme drin lebte. Philip fühlte sich einen Moment lang, als wäre er endlich wirklich zuhause: nicht besonders gut, mit anderen Worten, eingesperrt. Worinnen innen? In Kopfweh, in bösbösem Allesweh.
Er riskierte noch einen Anlauf, seine Lage irgendwie zu denken: Ich muß, ich sollte, na aber, was war es noch? Dann sank Philip erneut in die Bewußtlosigkeit, aus der er sich für kurze zwei Minuten, die ihm viel länger vorkamen, hatte herausarbeiten können.
Als er das nächste Mal zu sich kam, war der Grund dafür ein lustiger: Jemand hatte ihm Mineralwasser über den Kopf geschüttet. Es tränkte seine Haare, lief über seine geschwollene Nase, die Lippen, dann sein Kinn hinunter, wie vor zwei Tagen das Blut, in seine steife Halskrause, Zisch, Spritzelchen.
Das Prickeln und Benetztwerden brachte ihn zum Lachen, was wehtat, obwohl er nur sehr leise lachte. Diesmal schnitt der Schmerz vor allem in die Brust, da, wo die Lungen sind.
»Guten Morgen, Arschloch.«
Astrid Riedler hatte ein neues Nasenpiercing, einen kleinen silbernen Ring im linken Nasenflügel. Grelles Sonnenlicht verwandelte das winzige weißblonde Haarbüschel vorn auf dem Schädel in ein Schwämmchen aus glühender Drahtwolle. Astrid saß auf dem Besucherstuhl. Sie lächelte den Bettlägerigen dünn an.
Er fand sie sofort ausgesprochen atemberaubend schön und sagte deshalb, kaum hörbar und leicht lispelnd: »Hallo. Siehst … spitze aus …«
»Vielen Dank. Jetzt halt die Schnauze. Ich hab’ dir was zu sagen. Erst mal, was überhaupt grad los ist.«
Sie nahm die Flasche, aus der sie ihn begossen hatte, an den Mund, gluckste zwei große Schlucke runter und stellte das fast leere Ding dann, nicht übertrieben vorsichtig, auf seinen Ausfahrtisch.
»Dein Punkerfreund ist gestern entlassen worden. Zwei Zimmer weiter hat er gelegen. Seine Eltern haben ihn abgeholt. Wird sich nicht mehr auf der Straße rumtreiben, schätz’ ich. Sein Hausschwein auch nicht – die war beim Abholen dabei und sah schon viel ordentlicher aus als sonst. Die beiden Junkies hängen hauptsächlich im Park rum, solange wir nicht in der Nähe sind. Dein Treff ist zu. Heute mittag nageln wir Bretter vor die Tür, im Auftrag der Stadt, abgesegnet vom Bürgermeister, der Dokter hat’s schriftlich. Der wird ein eigenes Jugendzentrum eröffnen, aber woanders – in der Nähe von Maulburg, falls es dich interessiert. Und jetzt zu dir.«
Astrid beugte sich vor. Philip gab sich die größte hö flich e Mühe, interessiert auszusehen.
»Ich sollte dich abmurksen. Du liegst hier ganz alleine auf dem Zimmer, ist dir das klar? Ich zieh’ dir das Kissen aus dem Genick, drück’s dir drei Minuten auf die Fresse. Fertig.«
»Wmmmm?« machte Philip sehr leise, und sie verstand, daß das eine Frage sein sollte: Er wollte wissen, warum sie’s nicht tat. Astrid zuckte mit den Schultern, schaute kurz böse drein und sagte dann: »Ich weiß nicht, was das war. Vor dem Treff. Dieses … was du gemacht hast. Mit deinem Hirn. Aber es war stark. Ich träum’ neuerdings davon, verstehst du? Es war richtig stark. Wahrscheinlich … ich hab’ so ein Gefühl, der Dokter weiß mehr drüber, als er sagt. Der hat Schiß vor dem, was du kannst. Aber du kannst es scheint’s gar nicht richtig, das ist das Komische. Nicht so, wie du willst. Oder vielleicht willst du ja auch nicht richtig. Jedenfalls passiert so was bei dir nur manchmal. Selten. Und jetzt nicht mehr, sagt der Dokter. Er redet zuviel – sagt mir zum Beispiel, daß ich mich nicht drum kümmern soll, was da los war. Daß es unwichtig ist. Aber … schau: zwei Sachen. Erstens: Du hast uns nicht im Seich rumgehauen mit dem, was du da kannst, obwohl ich vermute, daß das in dem Moment möglich gewesen wär’. Und zweitens: Du hast Eier. Wer sich so verdreschen läßt, und dabei lacht … bis zum Schluß … Na ja, entweder du konntest dein Ding nicht einsetzen, dann war es arschmutig, dich trotzdem mit mir anzulegen, oder du wolltest es nicht einsetzen, dann war das größenwahnsinnig, aber genauso mutig. Also. Der Dokter verrät mir nix, außer, daß
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