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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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die Weltordnung gefährdeten oder sich auch nur eine andere vorstellen wollten, weil ja schließlich die Macht dieser Satrapen, ja ihre politische Existenz von der Fortdauer der vorhandenen abhing. Prustend, lachend, sauber gewaltengeteilt, führten die Mächtigen ihre weniger mächtigen Nachahmer dem lachenden Pöbel vor, ließen keine feine kleine Fußnote aus, und schrieben darüber dann auch in ihren Zeitungen, in aller amüsierten Frankfurter Allgemeinheit, unter der Kennmarke »Finanzmarkt«, nicht etwa »Politik« oder »Wirtschaft« – so was hatten diese Typen aus dem Busch ja gar nicht. Wir schmunzelten und schüttelten die Köpfe, als hätte sich all das im Kino ereignet, und waren scheinbar ganz außerstande, uns vorzustellen, was aus solchen Kränkungen noch Hübsches werden mochte.
    Wie kurz war doch die Liste der Staaten, die Terroristen und Monstren Unterschlupf gewährten, damals noch.
    2  Der Irrtum, dem wir aufgesessen waren, als wir so schön kritisch alles in Frage gestellt hatten, war nämlich der, daß es im Kapitalismus ums Geld ginge. Tat es nicht, kann gar nicht sein. Wäre es so, gäbe es ja wirkliche Konkurrenz, den Tüchtigen, seine freie Bahn und all das, was daran hängen sollte, im Wolkenkuckucksheim der Ökonomen. Da der Kapitalismus aber einen Besitz kennt und deshalb ein Erbrecht, geht es darin, genau wie im Feudalismus, nach ein paar Generationen nicht unbedingt Blutsverwandter, aber munter Akkumulierender, nur noch um Herrschaft. Die Medien zum Beispiel: Was man da so erfährt, wenn es kapitalistische Medien sind, müßte sich eigentlich, dem Selbstbild dieser Wirtschaftsform gemäß, an Konjunkturen orientieren, solchen der Aufmerksamkeit etwa. Nach denen richtet es sich aber nicht.
    Es richtet sich vielmehr allein nach den Propagandawünschen der Besitzenden.
    Ein Beispiel: Polen. Was haben sie uns alles aus Polen gezeigt, als das zweckdienlich war: schwarze Madonnen, ermordete Priester, streikende Schnauzbärte! Und warum? Weil sie an diesem Ort des Ostblocks als erstes das Brecheisen drin hatten, wegen der Katholizität.
    Der Papst hat den realexistierenden Krempelkomplex als erster Machtträger der freien Welt angekratzt, die erste Bresche geschlagen, die erste große Schraube in Stalins Pufferstaaten-Eisenmantel lockergedreht. Dann haben die streikenden Schnauzbärte ihre Sozialisten langsam weichgekocht, und als das Ganze schließlich zu Boden mußte, sind sie schnurstracks verelendet, wie überall. Und folglich?
    Folglich hat man nie wieder von Polen das geringste gehört, denn danach war’s auch da bloß fürchterlich wie überall. Das ist aber keine Nachricht, denn es hat keinen Propagandanutzen.
    Als ich noch Robert Rolf hieß, war ich im Rahmen eines Schüleraustauschs mal in Polen, in der Flummiphase, kurz nach dem Zukunftsversuch Schmuddelsozialismus, als die Totenwirklichkeit des Katholokapitalismus gerade Gestalt annahm. Wir, die Westmaden im Speck, haben uns in den Krakauer Cafés die Bäuche vollgestopft mit dem klebrig-sahnigen Pappzeug, das es dort gab, auch Platten gekauft, vor allem klassische, schöne Alben, die sich auf der Ladentheke immer gleich verdoppeln und verdreifachen wollten, so schnell verfiel der Wechselkurswert des merkwürdigen Pipigeldes, das man uns bei der Einreise ausgehändigt hatte.
    Ein sehr schönes Mädchen war bereit, für ein paar U2 -Cassetten und mein cooles westliches Grinsen mit mir alles mögliche anzustellen, aus Gründen namens Jennifer ließ ich mich nicht drauf ein. Auf Schritt und Tritt aber, das war das eigentlich Widerliche, haben die jungen Polen uns versichert, daß wir, die Deutschen, sehr willkommen seien, und zwar, so wurde uns bedeutet, sei alles ganz anders als in der blöden Geschichtslaberei der vernagelten Alten, müßten wir uns klar machen: Die Deutschen seien beliebt, man rechne und hoffe auf sie, und das, was die Deutschen »damals« in Polen angestellt hätten, sei ja lange nicht so schlimm gewesen wie das, was die Russen angestellt hätten, die Deutschen wären halt mit der Judenjagerei ein bißchen Gaga gegangen, ein Hobby, für das man übrigens durchaus Verständnis habe, viel Übles käme ja doch von den Juden, seit alters her, aber die Russen, die hätten das Land ruiniert mit ihrem verrückten Sozialismusquatsch, hätten Polen die Seele geraubt, das müsse nun anders werden, und dabei könnten wir, die Deutschen, helfen.
    Zur kulturellen Abrundung dieses Eindrucks wurde ich Zeuge, wie eine

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