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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Vogel des Himmels getötet werden« kannte.
    Weil sie von diesen Dingen nach wie vor unterrichtet wurde, graute der ehemaligen Außenministerin davor, daß die rituelle und magische Welt Afrikas mit der üblen neokolonialen Geschichte ungünstige Verbindungen eingehen mochte. Schon früher hatte es sich zugetragen, daß auf diese Weise das Okkulte ins Politische hineinblutete, bis beide wechselseitig voneinander vergiftet waren, zum Beispiel in Gestalt der Mau-Mau, jener extrem gewalttätigen kenianischen Rebellen, die in den ­fünf­ziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die britischen Unterdrücker nicht nur militärisch, sondern auch mit blutigen Ritualen zur Gemeinschaftsstiftung unter den eigenen Kadern bekämpfte. Die Mau-Mau waren teils irdisch, teils übernatürlich, verübten rituellen Kannibalismus und Vampirismus, schlachteten Tiere und Menschen, tranken Blut, aßen Exkremente und Hirn, zermahlten Knochen und streuten das Pulver in ihre Getränke.
    Von 1952 bis 1956 gelang es den Engländern, elftausend dieser irren Rächer zu erschlagen und weitere zwanzigtausend in Lager zu sperren. In jüngster Zeit jedoch hörte man allerlei Gerüchte und Prophezeiungen von ihrer Wiederkehr, in »verwandelter, tausendmal schlimmerer Gestalt«, wie es hieß.
    Ungreifbare Bedrohung als Antwort des Kontinents auf ungreifbare Vorteile, die seinen Bewohnern aus allerlei wirtschaftsentwickelnden ­Ini­ti­ativen der reichen Länder immer wieder hatten erwachsen sollen, zuletzt etwa dem amerikanischen »Africa Growth and Opportunity Act« aus dem Jahre 2000, von dem die freien Medien der freien Welt zwar immer wieder schrieben und redeten, er werde die Entwicklung des Kontinents beschleunigen, dessen reale Funktion aber wohl eher in der Regulierung von Verteilungskämpfen bei der Ausplünderung der Rohstoffe und bescheidenen sonstigen Produktivkräfte der Gegend bestand.
    Im Wissen um all dies, das Unsichere und das Bedrohliche, das Öl und das Blut, die schwindenden Reserven beim ersteren und den unversiegbaren Quell des zweiten, um den Dampf und die Kacke, blieb der ehemaligen Außenministerin deshalb nichts übrig, als in der blassen Art einer Nachbemerkung noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Vorstellung, die Amerikaner lebten in permanenter Angst vor Leuten wie Osama Bin Laden und anderen Neo-Mau-Mau, die Mehrheit der Menschen auf der Welt nicht zu beeindrucken vermocht hatte, deren Besorgnisse hinsichtlich des Terrorismus in den Schatten gestellt würden von der Herausforderung, die sich ihnen jeden Tag stelle: einfach am Leben zu bleiben, im Angesicht der allgegenwärtigen und jederzeit andauernden Bedrohung durch Armut, Hunger und Seuchen.
    Die Sache der Vereinigten Staaten, mutmaßte die Ehemalige vor diesem Hintergrund, würde wohl auf offenere Ohren stoßen, wenn deren Regierung statt Angeberei und Waffengetöse wieder aufs Brückenbauen setzte und häufiger von den Alternativen zu reden bereit wäre, die für das Alltagsleben der meisten Mitglieder der Weltbevölkerung von Belang seien. Dies müßte freilich bedeuten, stets auszusprechen, wofür, nicht bloß wogegen Amerika stehe, und klarzumachen, daß dazu ge­hörte, den Menschen überall dabei zu helfen, reichere, freiere und längere Leben zu leben, sagte die ehemalige Außenministerin.
    Wen aber interessierte das, was sie da gesagt hatte?
    Das interessierte die bezahlten Beobachter, die besoldete Politikberatung, die Reden-Analysierer, die Think-Tank-Zeitschriften-Re­dak­teure, die politischen Philosophen, die Intellektuellen.
    Und wen interessierte das nicht?
    Das interessierte nicht den Lauf der Dinge.
    4  In der engagierten Kunst der Zeit ist uns dazu nix aufgefallen, bis auf ein Gemälde von Daniel Richter, das ich im Hamburger Bahnhof zu Berlin habe hängen sehen, und einen kurzen apokalyptischen Text von Christian Geissler, bei dem sich einige Rezensenten nicht sicher waren, ob sie den als realistische Abbildung echter Zustände oder als ein Werk der Science-Fiction anzusprechen hätten. Sonst hat das Faktum, soweit ich weiß, keinen großen Eindruck auf die Kunst gemacht. Mußte es ja nicht, hatte mit sich selbst genug Ärger, und der Kunst wiederum ist nur von bornierter Warte aus vorzuwerfen, daß sie sich das nichts hat angehen lassen.
    Gestorben wären die Leute ja trotzdem, Bild hin, Text her. Wirklich erfahren, richtig registriert hätte man das dann auch bloß beim Schauen in Zeitungen. Zuallererst natürlich solche von obskuren,

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