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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Unter einer dröhnenden Kuppel aus tintenschwarzen Wolken humpelte er, durchnässt und frierend, in angerissenen Hosen, auf dem breiten Sandweg hinterm Tor zu der ihm vorhin von Peter Thiel beschriebenen Abzweigung nach links, die Photonenpumpe in der schmerzenden linken Hand.
    Das Philosopheneck finden, hat er gesagt, und da steht dann eine Bank.
    Ein krummer, schlanker Baum wies ihm mit Fingerzweigen den Weg.
    Tapfer stapfte Torsten weiter, fand, beim zitternden Ausschwenken mit dem Lämpchen, schließlich wirklich die Bank und dieser gegenüber die Gräbergruppe, die ihm beschrieben worden war: eine normale Grabplatte, rechts davon ein Obelisk, neben dem ein Kreuz und ganz rechts schließlich ein imposant minimalistischer Sockel, an den ein Kranz gelehnt war, in den man Tannenzapfen geflochten hatte.
    Von Peter Thiel noch keine Spur.
    Torsten hob den Arm ein wenig, sah auf die Uhr: viertel vor eins.
    Er duckte sich unter einen der Bäume, ging unter Ächzen und Schmerzverbeißen in die Knie.
    Das Bänkchen, so ganz ohne Dach, mit seinem kümmerlichen Metallgestell und den darauf genagelten drei modrigen Brettchen, sah nicht danach aus, als könnte es das Gewicht eines erwachsenen Menschen aushalten. Torsten richtete den Lichtstrahl auf das Kruzifix zwischen Sockel und Obelisk, denn an dessen Fuß stand was im Stein, das er lesen wollte:
    Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben.
    Links neben ihrem berühmten Mann, rechts neben dessen zeitweiligem Weggenossen und zeitweiligem Widersacher lag, von diesem Spruch beschützt, da also eine Frau namens »Marie Hegel geb. von Tuchel, geb. zu Nürnberg d. 17. März« – im regenzerstäubten Licht der Photonenpumpe sah das aus wie »Marz« – »1791, gest. zu Berlin d. 6. Juli 1833«. Schon pfif fi g, dachte Torsten und verzog den Mund.
    Da wollen sie alles abkürzen, damit es auf den Kreuzquerbalken paßt, und schreiben also »geb.« statt geboren, aber da sie einen Mädchennamen UND eine Geburtsstadt hat, muß dann halt doch zweimal dieses knappe »geb.« dastehen, was den ganzen schönen Kürzungseffekt am Arsch macht, zumal –
    Weiter kam Torsten Herbst nicht mehr mit seinen müßigen Gedanken.
    Ein Serienmesser des Typs Smatchet von der Waffenfirma Bökel schnitt fast bis zum Heft in seine Schulter, eine Handbreit entfernt von der Schlagader, so leicht, wie eine heiße Gabel in Butter gleitet. Als sie wieder rausgerissen wurde, spritze Blut über Torstens Stirn – Taufwasser.
    Er öffnete den Mund, um wenigstens noch einmal laut und durchdringend zu schreien. Aber ein schraubenzieherartiger Metallstift bohrte sich volle sechs Zentimeter tief in sein linkes Ohr, das Smatchet-Messer hieb ihm ins Genick, daß er nach vorn fiel, die Arme ausbreitete und hinunter in die Blätter stürzte, die sich vor dem Grab des Ehemanns der Marie Hegel zu einem malerischen Häufchen aufgeschichtet hatten.
    Peter Thiel drückte Torsten das rechte Knie ins Kreuz und riß das Smatchet-Messer wieder aus dem Nacken des Jungen. Das Fleisch ­öffnete sich an der Trennlinie wie eine lederne Reisetasche und gab einen dicken schwarzen Blutschwall preis. Thiel grunzte, hielt den Griff des Stifts in Torstens Ohr fest. Er riß den Kopf, dessen Genickverankerung dabei knackte, am Stift ganz hart zur Seite und stieß das Smatchet-Messer dem mit Armen und Beinen wild Herumzuckenden in den Mund. Einmal drehte er es herum, ein zweites Mal, und riß es dann seitlich nach oben. Die Klinge war so scharf, daß sie Torsten ein Stück Nase abriß. Spion, Liebhaber, Ritter, Abenteurer, HeavyMetal-Fan: zur Ruhe gekommen. Valeries einziger Exfreund lag tot auf der Erde, die Hand in Blätterwerk und Ranken gekrallt, dicht unterm Grabmal, auf dem stand:
    Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Geb. d. XXVII. August MDCCLXX
Gest. d. XIV. November MDCCCXXXI

NEUNZEHNTES KAPITEL
    Unschuldiger Engel im Tran • Nicht unsexy • Erbschaftssteuer
    1  Den beiden Männern war kalt. Sie spürten es vor allem an den Armen und auf den Wangen. Bis zu den Knöcheln standen sie im gelben und roten Laub. Wenigstens trugen sie Schuhe. Der eine, Klaus Utzer, fragte sich, ob das jetzt wirklich Hanf war, um seinen Hals, oder nur irgendein grober Strick aus irgendeinem Material. Machte man überhaupt Stricke aus anderem Material als Hanf? Was gab’s da denn noch? Er dachte an Piratenfilme und Karl-May-Western und wunderte sich panisch, wie er eigentlich hergekommen war.
    Der andere, Joachim Behnke, hatte die Augen fest

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