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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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irgendwo hinlege, mal auf den Nachttisch, dann wieder im Bad auf den Waschbeckenrand, und jedesmal habe ich morgens vergessen, wohin, genau wie den Ort der Ablage meiner Schlüssel und manchmal die Schuhe, was heißt hier morgens, mein Schlafrhythmus, meine Blackouts, die Polizei, was war mit der Polizei, ach ja, die war neulich hier gewesen, warum …
    Ich fand den Apparat unterm breiten Bett.
    Er war uralt, hatte sogar eine Wählscheibe, grünes Plastik, Dschungel, dachte ich, Vietnam, Green Hell, Apocalypse Now – ich nahm ab.
    »Philip? Philip, bist du das?« fragte eine Frauenstimme. Der Tonfall war verletzt, böse und aufgeregt. Ich kannte die Stimme nicht.
    »Nein. Bin ich längst nicht mehr, aber irgendwie halt leider doch noch«, murmelte ich und setzte mich langsam, als Roboter, der seinen Kugellagern nicht traut, auf die mu ffi ge Matratze, auf der ich mit Astrid … Warum wollten meine Gedanken eigentlich dauernd weg von der Situation?
    »Ich habe deine Nummer von … Nicht, daß du meinst, die Staatsanwaltschaft oder die Polizei hätte das rausgerückt. Aber mein Anwalt ist gut, und ich habe noch Freunde in Stuttgart, die du gar nicht kennst. Damit du es weißt. Brauchst gar nicht paranoid werden wieder.«
    »Du, mein, du bist …?« fragte ich, maßlos ungescheit, und da erst war der Frau am andern Ende klar, daß ich nicht wußte, nämlich zu raten versuchte, mit wem ich redete.
    »Michaela«, sagte sie. Es war leicht zu merken, wieviel es sie kostete, die Beherrschung zu wahren. »Deine Exfrau.«
    »Oh«, ich wunderte mich wirklich. Stimmt: So hatte sie geheißen.
    Jetzt, da das klar war, konnte sie zurückkehren zu ihrem Skript, das sie vielleicht sogar geübt hatte – es war eine bedrohliche Ankündigung. »Ich wollte dir nur sagen, daß du das dein Leben lang bereuen wirst, daß ich jeden Tag der Verhandlung besuchen werde, daß du dich nicht ver stecken kannst, weder in deinem Scheißnest da unten noch am Nordpol.«
    »O.k. Aber worum geht es eigentlich?«
    Sie schnaubte – das hatte sie früher auch immer gemacht, an dem jedesmal unfehlbar erreichten Punkt der Streitigkeiten, an dem sie mir zu verstehen geben wollte, daß sie nicht bereit war, an meine Verwirrung und Verstörtheit zu glauben, sondern vielmehr vorhatte, all meine Hil flos igkeiten als Auswüchse von unfaßbar niederträchtiger Berechnung zu behandeln und also sofort gnadenlos zu kappen: »Du bist unglaublich, weißt du das? Ein sagenhaftes Arschloch. Kommst hierher, schlägst Alfred zusammen, verbrennst ihm mit irgendeiner … irgendwie das Gesicht …«
    Eine Pause. Weinte sie?
    »Zweiten Grades, du Dreckschwein, hast du das wenigstens gelesen in der Anklageschrift? Verbrennungen zweiten Grades. Hast du überhaupt … hast du überhaupt einen Anwalt, oder machst du hier bloß den Märtyrer und …«
    »Alfred«, unterbrach ich sie zerstreut. Es muß geklungen haben, als spräche ich im Schlaf, und so war es ja auch.
    »Alfred, ich weiß gar nicht, wer das ist. Oder halt, das ist der … der Direktor, mit dem du mich … betrogen …«
    »Du bist nicht zu fassen. Du bist nicht zu fassen. Ich fasse das einfach nicht«, jetzt schrie sie. »In einer Woche sollst du vor Gericht erscheinen, ist dir das klar? Die haben dich bloß nicht mitgenommen, von da unten, aus deinem jämmerlichen Versteck, weil sie dir geglaubt haben, daß du keinerlei … daß du nicht vorhast, abzuhauen. Wegen schwerer Körperverletzung wird man nur eingebuchtet, wenn Fluchtgefahr besteht. Du bist ja anscheinend sogar gemeldet da unten, aber … aber täusch dich nur nicht. Ich weiß, was du vorhast. Ich weiß, daß es dir Spaß gemacht hat, wie sie dich erst mal haben suchen müssen, daß du es geil findest, so total wurschtig damit umzugehen, als ob es dich schon nichts mehr anginge, dein versautes Leben …«
    Ihre Rede brach ab. Ein paar Minuten lang hörte ich schweren Atem, sonst nichts. Dann sagte sie: »Er ist bloß gekommen, weil ich ihn drum gebeten habe. Als du dein Zeug gepackt hast. Weil ich nicht wollte, daß du was mitnimmst, was mir gehört. Weißt … weißt du das noch, du Mistkerl? Nur deshalb war er da. Und daß er dir dann die Hand auf die Schulter gelegt hat … du hättest nicht … das hättest du nicht machen dürfen … Ich weiß nicht mal, wie du es gemacht hast, Philip … was Glühendes …«
    Und wieder schluchzte sie.
    Mir wurde schwindlig, richtig schlecht, von den Knien bis unter die Frisur, weil ich meine heißen

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