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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Sätze aus dem Büchlein konnte Philip immer noch auswendig, zum Beispiel die, mit denen Leviné sein eigentliches Vorhaben, gegen Ende der Vita Kleins, anzureißen versuchte: »Wir müssen die Kleinsche Zielstellung erweitern, wir müssen weiter werfen, höher zielen, mit den Mitteln, die dem Stand der mathematischen Produktivkräfte jeweils entsprechen. Die fortgeschrittenste mathematische Praxis weist uns den Weg für die fortgeschrittenste Metatheorie der Mathematik. Dies wäre im Moment die Kategorientheorie, denn man hat zeigen können, daß sich eine große Anzahl nicht nur algebraischer, sondern überhaupt mathematischer Strukturen gewinnen läßt, wenn man die natürlichen und die ganzen Zahlen wiederholt kategorifiziert. In zwanzig, dreißig, vierzig Jahren werden wir andere, bessere Techniken besitzen. Die Kategorien sind nicht das letzte Wort – aber das jüngste, das derzeit meistversprechende. Praxis ist alles, Normatives nur ein Schatten davon. Plato auf die Füße stellen: unsere Aufgabe.«
    Patton grölte einen Schmerz:
    You’re perfect yes it’s true
But without me you’re only you
    Woraus besteht eine Kategorie? Aus Gegenständen und dem, was wir damit machen, das heißt, den Arten, wie wir sie umformen – den Morphismen. Man kann zum Beispiel die Begriffe der Mengenlehre kategorisieren: Die Menge hat Elemente, die Kategorie hat Objekte, die Menge kennt Gleichungen zwischen Objekten, die Kategorie dafür Isomorphismen zwischen Objekten, die Mengenlehre bringt uns was über Funktionen bei, die ein Element in ein anderes umwandeln, mit der Funktion von x zu 2 x etwa kann man aus 3 dann 6 machen – die Kategorienlehre erzählt uns was über Funktoren, mit denen man eine Kategorie in eine andere umwandeln kann, bzw. deren Objekte in die der andern.
    Die Bühne ist bereitet.
    Und jetzt laßt uns spielen: Nehmen wir mal die »Kategorie aller Kategorien«. Die ist eine 2-Kategorie: Zusätzlich zu Objekten und Morphismen brauchen wir da 2-Morphismen, nämlich Morphismen zwischen Morphismen. Das Ding heiße »Cat«, seine Objekte heißen »Kategorien«, die Morphismen sind Funktoren und die 2-Morphismen nennen wir »natürliche Transformationen«. Und nun laßt uns durchdrehen: Wir trauen uns den Sprung von der 2- zur 3-Kategorie, von der 3- zur 4-Kategorie, und so fort, immer fort, bis zur n-Kategorie: Die hat dann Objekte, Morphismen zwischen Objekten, 2-Morphismen zwischen Morphismen, 3-Morphismen zwischen 2-Morphismen …
    Die »Kategorie aller n-Kategorien« ist eine ( n+1 )-Kategorie.
    And now let’s make a world: Es werde Licht.
    Im Anfang war die Tat.
    Welche mathematische Struktur sind wir selber? Welche Morphismen verwandeln uns, wie wir gerade waren, in uns, wie wir gerade sind? Was für eine Handlung ist die Zeit? Wie wechseln mögliche Universen einander ab in dem, was wir das tatsächliche Universum nennen? Was für eine Synthese aus Sein und Nichtsein ist das Werden? Kategorientheorie, das war für Leviné einfach die derzeit einzig dialektikfähige mathematische Betrachtungsweise. Er war nämlich nicht einfach Vietnamese, sondern ein vietnamesischer Marxist, hatte während des Krieges Vorlesungen Alexandre Grothendiecks gehört, der damals im Dschungel lehrte – eingeführt ins Gebiet hat ihn also der erste große Mathematiker, der die Tragweite der kategorientheoretischen Perspektive klar gesehen hat, obwohl er an der Erfindung dieser Sprache selbst keinen Anteil gehabt hatte.
    Leviné, dessen richtiger Name Nguyen Ai Quoc (nicht verwandt mit einem gleichnamigen Volksidol) lautete, ging später in die DDR , das andere deutsche Land, in dem irgendetwas Linkes … der Kommili… die Komma… irgend etwas ausprobiert werden sollte. Wurde dort eingebürgert und sogar Professor, nahm 1987 den Namen an, unter dem er dann das Büchlein schrieb; der echte Eugen Leviné war ein deutscher Kummo… Kummer… Kommodore … irgend etwas Linkes gewesen, so verstand sich die Namenswahl auch als Dank ans Gastland. Dann brach die DDR zusammen.
    Der Mathematiker, profiliert und also gefragt, ging in den Westen. Er lehrte, soweit Philip wußte, immer noch – derzeit in Bochum. Sie hatten einen kurzen Briefwechsel mit ihm geführt, damals.
    Philip hatte die Inhalte ausgearbeitet, die Fragen, die Levinés junge Leser beschäftigten, in Diskussionen mit Frau Flasch; Robert hatte das Zeug ordentlich ausformuliert, Jenny immer drauf gedrängt, daß sie nur ja nicht lockerließen, obwohl sich Leviné wie

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