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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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recht. Svenja wäre wirklich unser Messias gewesen. Schade, daß sie … lange vor Golgatha dran glauben mußte. Da war es dann halt aus mit dem Masterplan. Wir haben uns neue Jobs gesucht, verstehst du? Und manchmal hat uns das wieder zusammengeführt – zum Beispiel die Musikantin und mich, sie als Kundin, ich als Dienstleisterin … die Welt ist klein.
    F: Die verkehrte Welt, hm?
    J: Ach, die … die ist noch viel kleiner.

ZWANZIGSTES KAPITEL
    Ein Anruf im Tonstudio • Zum Heulen • Vorverlassenheit • Lose Enden
    1  Und siehe, da saß Michi Beer, geschafft wie Saulus nach der Steinigung.
    Tonstudioarbeit: stures, aber aufmerksames, permanent umschaltwilliges Sitzen im Schoß der Musik, aller Musik, jeder Musik, der ganzen Musik und von nichts als Musik. Am Ende kriegt man in den Ohren so was wie saures Aufstoßen, jedenfalls bei Produktionen, die einen länger als zwei Wochen beschäftigen.
    Alle Türen zwischen allen Räumen hatte Michael geöffnet, einfach, damit die Geräusche sich wieder etwas besser mischen konnten, damit die Konzentration langsam abgelassen werden konnte, wie Badewasser. Baden als Arbeit: auch keine besonders liebliche Idee. Vom Wohnbereich her hörte man Madonna dazu leicht beleidigt schmachten:
    Jesus Christ, will you look at me
Don’t know who I’m supposed to be,
    während auf dem Schaumstoffplattenteller mit Betty-Page-Glamour­foto-Aufdruck, direkt neben Michis Arm, die letzte Live-Aufnahme von John Coltrane, das »Olatunji Concert« vom 23. April 1967, gerade »My favorite things« erreichte. Manche Musik, dachte Michi Beer sensationell müde, wälzte sich eher um sich selbst, als daß sie jemals bereit gewesen wäre, sich vulgär nach vorn zu werfen, in ihr Vollzugsgesetz.
    Im biegsamen Bürostuhl bis kurz vor dem Bruchpunkt der Rückenstütze nach hinten gelehnt, bohrte Michi besinnlich in der Nase, als das Telefon schellte.
    »Beer, Marsismus and Company«, meldete der Musiker sich als seine eigene Schutzmarke.
    Sachlich, sauber, gänzlich verbindlich kam’s zurück: »Cordula Späth, Asyndeton Records.«
    »Angenehm.«
    »Klar. Ich bewundere deine beziehungsweise eure Arbeit seit langem, bla bla bla, zur Sache: Ich wollte dich mal nach der aktuellen Telefonnummer von deinem Kumpel Robert Rolf fragen, der hat vor einiger Zeit in der Jungle World so einen schönen tränennassen Text über Liebe und die Vielweltentheorie der Quantenmechanik geschrieben, den ich gerne als pathetische elektronische Oper vertonen wollen würde.«
    Michi Beers Geistesgegenwart rastete zuverlässig ein: »Sehr gut, aber woher weiß ich … nee, warte, kürzen wir das ab, du gibst mir lieber deine Nummer.«
    »Wie du willst. Aber sag nachher nicht, wenn sie den ganzen Vorgang abwickeln, Adolfs verscharrte Legion im Dorf unten aufersteht und nach diesem gelungenen Testfall überall auf der Welt, von Indien bis Nebraska, Armeen der Verwesten aus dem Boden springen, sag dann nicht, nach den jahrelangen kontrollierten Versuchen auf kommunaler Ebene, wenn am Ende wirklich die Toten ihre Toten begraben, und der globale Notstand ausgerufen wird, wenn die letzten Hexennester der Vernunft mit der Brechstange ausgehoben werden, wenn meine drei Freundchen es nicht rechtzeitig zum Rondell schaffen, am alten Gymnasium, und die neuen Herrscher dann meine Nummer bei dir finden, die Hüter von Recht, Ordnung und mythologischem Weltverständnis samt entsprechend unmittelbaren Herrschaftsformen, sag bitte, bitte dann wirklich nicht, daß ich dir keine Chance gegeben habe, sauber zu bleiben. Ist ja nicht so, daß dich die E-Mail-Wortwechsel mit Herrn Rolf wegen der Angelegenheit Valerie Thiel nicht schon genug belasten würden. Aber gut, bist selber groß und mußt wissen, wie brenzlig du es gern haben willst.«
    Michi Beer schloß die Augen und zählte im Geist bis fünf, um keine überhastete Entscheidung zu treffen. Cordula Späth sprach kein Wort mehr. Als Michael Beer sicher war, daß genau dies und nichts anderes die richtige Entscheidung war, legte er den Hörer sacht und leise auf, lehnte sich wieder zurück und fuhr mit dem Nasebohren fort, genau da, wo er unterbrochen worden war.
    2  Robert Rolf stand vor dem Holzlattenlabyrinth am Rand des Spielplatzes.
    Er hielt seine große gelbe Taschenlampe in der rechten Hand, den verfluchten Apparat, der immer alle reingesteckten Batterien fraß, mit unglaublicher Geschwindigkeit: Ein paar Mal irgendwas ernsthaft angeleuchtet, schon verschnupfte das Licht,

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