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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Hände plötzlich wieder vor mir sah, mit denen ich den Kopf des Rektors gegriffen hatte, die ich reingedrückt hatte in seine Wangen, in seine Haut, reingebrannt bis zum Knochen, und wieder losgerissen, dann hat das gedampft, schmorend geraucht, dieses Gesicht, als er in die Knie ging.
    Ich wollte das gar nicht, wirklich nicht, bloß irgendwie da rein in diesen Mann, in diesen Kopf: wollte vielleicht er sein … er sollte sich aus mir und ihm zusammensetzen, damit wir beide … ich wollte mich abbilden auf … ich wollte wieder können, was ich als junger Mensch gekonnt hatte, als Jenny rausfand, daß wir zu den Leuten gehörten, von denen Leviné im Anhang schrieb, zu denen, die er die W nannte und die schon lebten, was er bloß erst als Theorie des Handelns, der Kontinuität von … Subjekten in … möglichen Universen …
    Ich hatte den Hörer auf die Matratze gelegt. Michaela schrie da ganz leise raus.
    Ich ging ins Bad und kotzte ganz ruhig ins Waschbecken, auf dessen Rand übrigens der Ring lag, den ich immer verliere. Ich sah in den Spiegel, da war ich, nur ich.
    Wo seid ihr, dachte ich: Jenny, Robert, warum habt ihr mich verlassen?
    Als ich zurückkam, ins Schlafzimmer, war die Leitung ein Dauertuten, Michaela hatte aufgelegt.
    Mir war kalt.
    Ich wollte raus aus der Wohnung. Ein Weilchen tapste ich kop flos durch alle Zimmer, auf der Suche nach nichts, blieb dann in der Küche stehen, vor dem Kalender. Den Tag, diesen Tag, hatte ich mir rot angemalt, voller Vorfreude – und dann glatt vergessen, was für ein Tag das war: Heute fing der Kalte Markt an.
    Das durfte ich nicht verpassen, dachte ich, ziemlich zusammenhanglos, sagte es sogar laut: »Das darfst du nicht verpassen«, ging also noch mal ins Bad, wusch mich, dann ins Schlafzimmer, wo ich mir neue Sachen anzog.
    Zehn Minuten später lief ich um mein Leben, keuchend, fast lachend, Trab und Galopp, die Schlierbachstraße runter, über die Hebelstraße, schneller, zur Altstadt hin, mir doch egal, wenn das Herz stehenbleibt: zum Jahrmarkt, und nur die Fragen nicht beachtet, die etwas von mir wissen wollten, in meinem Kopf, von meiner Seele: Schlief ich? Hatte ich geschlafen?

Fünfte Minidisc-Aufnahme
    J: Roter Samt. Im … das Badezimmer war ausgeschlagen mit rotem Samt. Und ein silberner Löffel lag … am Boden. Neben einem großen Topf, darin ein eingepflanztes großes Farngewächs … die … die schönsten Farben der Welt. Bei Svenja. Bei … bei Svenja zuhause.
    F: Sch… Schhh, Jennifer, mach die Augen zu. Schlaf, Liebste.
    J: Wenn sie … wenn sie am Leben geblieben wären. Svenja, und später Kabé … wenn sie nicht gestorben wären … dann … lebten sie noch heute, und … und die Musikantin … die Komponistin … würde nicht …
    F: Jenny … bitte … beruhig dich, trink ein Glas Wasser, o.k.?
    J: (trinkt) Wie viele … Menschen kann man gleichzeitig lieben?
    F: Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ich liebe nur dich … Jenny. Hat man dich so genannt? Jenny?
    War das eine Abkürzung, die …?
    J: Rölfchen. Rölfchen hat mich zuerst so genannt. Robert Rolf. Ich stand mal … kann ich noch einen …?
    F: Klar. Hier, trink … langsam … gaaanz … langsam, ja, so ist … ist gut.
    J: (trinkt).
    F: So. O.k. Mehr?
    J: Mmm-mm. Ist gut. Ich stand mit … bei Svenja am Zaun, in Langenau. Wir haben uns drüber unterhalten, das … das ältere Mädchen, das ich war, und die jüngere Freundin. Wir wußten, daß … ich hatte was mit Rölfchen, und ich hatte was mit Philip. Gleichzeitig. Promiskuität war eh, das war ja (lacht leise) … das war Parteilinie, wie wir damals gewitzelt haben. Aber vögeln ist das eine. Liebe was anderes.
    F: Jen… Jennifer?
    J: Ja?
    F: Liebst du mich?
    J: Ja.
    F: Echt?
    J: Mann, was … was denkst du denn, warum ich dich mitgenommen habe? Weil du dich in diesem ganzen Zeug so toll auskennst?
    F: So krank scheinst du nicht mehr zu sein, wenn du mich schon wieder beleidigen kannst. Ich bin nicht gut im Killen und Fliehen, schon richtig. Ich will halt bei dir sein.
    J: Entschuldigung. Ich … ich wollte nicht …
    F: Schon o.k. Erzähl weiter.
    J: Na ja … wir standen da am Zaun, und ich frage also Svenja: Wie viele Leute kann man gleichzeitig lieben?
    F: Und?
    J: (lacht) Na ja, sie hat … sie meinte: Ist doch egal, wie viele. Wichtig ist doch bloß: wie arg. Je ärger, meinte sie, desto besser.
    F: Klingt gut. Schmerzhaft, aber gut.
    J: Manchmal … (hustet).
    F: Was?
    J: Manchmal denke ich, die Musikantin hat

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