Für immer in Honig
Rodham Clintons politische Gegner ließen ab sofort nichts unversucht, die jüdischen Wähler der Stadt davon zu überzeugen, daß sie es bei der First Lady mit einer finsteren Opportunistin zu tun hätten, die zuhause israelfreundlich, in den besetzten Gebieten aber ganz anders auftrat und am Polarkreis vermutlich dem ersten daherkommenden Eisbären in den Arsch gekrochen wäre, um es auch dort schön warm zu haben.
Die Senatorin schlug die Augen auf. Das Hupkonzert war vorbei. Sie würde also diesen Deutschen treffen, der Entschluß dazu war endlich gefaßt, Madeleines Fürsprache hatte sie überzeugt. Eine Woche Bedenkzeit war verstrichen: Was, wenn die Sache durchsickerte, in die Medien der Rechten? Würde man ihr das als Größenwahn auslegen, als Einmischung in innerdeutsche, innereuropäische Angelegenheiten, oder als Landesverrat, weil sie mit fremden Killern kungelte, die in Europa selbst einen Haufen Geld zusammengesammelt hatten und auch weiterhin über kapitalstarke Unterstützer verfügten, für Zwecke, die niemand kannte, von ein paar Phrasen Marke »Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung« abgesehen?
Durfte man mit so jemandem reden, in einer Krisensituation, die gekennzeichnet war durch wachsende Entfremdung zwischen den ehemaligen NATO -Partnern, vielleicht bald Schlimmeres? Die Klemme war eine klassische unterbrochene Feedbackschlaufe: Der jetzige Amtsinhaber weiß wahrscheinlich auch, was bei uns im Land, in Europa, in Asien, in Afrika an der Untotenfront vor sich geht. Aber er weiß nicht, wieviel ich weiß, weil er nicht alle beobachten kann, während es mir leichtfällt, rauszukriegen, was er weiß, denn es gibt nur einen Präsidenten, und den habe ich schon im Auge, nur keine Sorge.
Der Deutsche wartete in einem Hotel, hier in New York, seit einer Woche, und ließ nicht ab von seinen Depeschen, die vielleicht auch verdeckte Drohungen waren: Bürgerkriege sollte es bald geben, in Europa, Andeutungen, Anrufe und E-Mails dazu trafen täglich bei der ehemaligen Außenministerin ein.
Die Senatorin rieb sich den Bauch, nicht weil der wehtat, sondern einfach so: Das gab ihr das Gefühl, sich wirklich hingestreckt zu haben, wie’s ihr paßte, sich eine tatsächliche Pause gegönnt zu haben. Vielleicht ergab sich daraus sogar ein »power nap«, eins von diesen Viertelstundenschläfchen, die in solche Tage einzuschalten sie während ihrer Zeit als First Lady gelernt hatte, nützlich im Flugzeug, im Bus, in der gepanzerten Staatskarosse.
Die Senatorin sah zu ihrem Schreibtisch, dem fotografierten Gesicht ihrer Tochter direkt in die Augen, und sagte: »Weißt du, daß wir uns immer nur deshalb so aus dem Fenster lehnen, um vor dir weiter wie die Heiligen dazustehen? Mindestens seit du fünf bist? Weißt du das, kleine Mistbiene?«
Heilig? Das Ehepaar, das die Senatorin meinte, war grundsätzlich nicht altruistischer als andere Politiker dieser Gewichtsklasse. Es diente – wie hätte es anders sein sollen – den Monopolen. Aber anders als die gegenwärtig am Ruder befindliche Dynastie waren die Clintons mit dem Kapital wenigstens nicht direkt persönlich auf Gedeih und Verderb verflochten, arbeiteten also auf der anderen Seite der gewaltigen Amerikamaschine – ihr ganzes politisches Leben galt dem Big Government statt dem Big Business . Das war keine vage Präferenz, mit allen heiligen (Sozialstaat!) und unheiligen (Polizeistaat!) Attributen, son dern wurde praktisch durchgehalten bis zu dem Punkt, an dem sich Widersprüche im Bauplan der Maschine zeigten: Besonders bitter stolz war die Senatorin immer noch darauf, daß, erstens als Warnung an die Oligarchen und zweitens zur Finanzierung ihrer ehrgeizigen Sozialabsichten, ihr Gatte wenigstens versucht hatte, die Unverschämtheit abzustellen, mit der die Monopole sich ums Steuerzahlen für die obszönen Profite drückten, die sie seit der weltweiten neoliberalen Deregulierungswelle im Gefolge des Ostblockendes erwirtschafteten, absurde Manöver, die jeder Logik ins Gesicht rotzten, aber übliches Brauchtum der Megakonzerne darstellten. Bizarre Transaktionsdschungel, Ablegerfirmen in steuerbefreiten Staaten sorgten dafür, daß die Dämonen aus dem ersten Kreis der Hölle – Wesen mit Namen wie Philip Morris, General Electric oder Coca-Cola – dem Finanzamt auf der Nase herumtanzten (nicht anders, als das in allen großen imperialistischen Staaten geschah, im Land des deutschen Agenten durch Unterteufel der Sorte
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